Predigt für den 10.5.2020 von Pfr. Tuschy

 

Predigt für Sonntag Kantate, 10. Mai 2020

 

Und alle Leviten, die Sänger waren, standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen hundertzwanzig Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn. Und als sich die Stimme der Trompeten und Saitenspieler erhob und man den Herrn lobte: „Er ist gütig, und seine Barmherzigkeit währt ewig“, da wurde das Haus erfüllt mit einer Wolke, denn die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus Gottes.         2. Chronik 5, 12-14 (Auswahl)

 

Liebe Gemeinde,

diesen Wunsch – die Herrlichkeit des Herrn möge das Haus Gottes erfüllen – den würden wir uns doch ganz gerne heute auch zu eigen machen. Etwas von Gott zu spüren. Was wird uns mit diesem Eindruck von damals für ein gewaltiger Moment überliefert, 120 Bläser, die zum Lob Gottes einstimmen, man bekommt Gänsehaut. Saitenspiel und Lobgesang zur Eröffnung des Tempels in Israel, kann das noch überboten werden?

Das erscheint als gigantischer Kontrast zu dem, wie wir uns in unserem Alltag nun bewegen, wo uns manches merkwürdig und unheimlich erscheint in diesen Tagen, verwirrend unklar, wie das alles weiter gehen könnte.

Es scheint irreal, auf diese Weise – wie heutzutage - Gottesdienst zu feiern wobei einem das Singen untersagt wird. Das hat es auf dieser Welt noch nie gegeben. Es musste das eine oder andere Mal vielleicht ein geplanter Gottesdienst abgesagt werden, doch dass man einem Menschenkind das Singen im Gottesdienst verbietet?

Was früher gängig war, steht nun in Gefahr, als Fundament ausgedient zu haben. Selbst der Gedanke „des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht“ steht in Frage, weil so eine richtige Lebensfreude vom Mehltau der Angst gedämpft und erstickt wird.

Unsere jetzige Lage mag einem irgendwie erscheinen wie ein verlorenes Paradies. Mir kommt es jetzt so vor, als hätte ich vor einem halben Jahr tatsächlich noch im Paradies gelebt, doch erst jetzt wird klar, dass das ja das Paradies war, dass wir uns vorher tatsächlich im Paradies bewegten.  Wir konnten gehen und stehen wie wir wollten, ohne Masken oder Mindestabstand, ohne Angst im Nacken wie wird uns die Zukunft zersetzen.

Wie ist der Mensch verletzlich geworden? Vielleicht war das schon immer so, doch nun wird es uns erst deutlich und bewusst.

„Die Tier sieht man jetzt springen“, heißt es im Lied, doch der Focus liegt gerade eher auf den Tieren, die man unterm Mikroskop springen sieht, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind, die freilich Angst und Schrecken verbreiten.

Es ist heute das erste Mal, dass die Predigt auf doppelte Weise „verbreitet“ wird, wie die letzten Wochen in schriftlicher Form, nun aber auch wieder live in der Kirche, mit Blickkontakt. Wenn freilich die Predigt verbreitet wird, dann zwar schon als Klage über die gegenwärtigen Zustände, doch diese Klage wendet sich an einen ganz konkreten Adressaten, unseren Schöpfer, und sie ist Klage und nicht Jammern.  Die Predigt soll verbreitet werden gegen die Angst die grasiert, denn Gott ist nicht von uns gewichen, er ist nach wie vor gütig, und seine Barherzigkeit währt ewig.“ Dieses Wort wurde damals untermalt mit dem stimmgewaltigen Chor jener 120, die – so wird`s beschrieben – derart klar gesungen hätten, dass sie den Ton genau trafen, dass es sich wie eine Stimme anhörte.

en gegen die Angst, das ist uns zwar im Gottesdienst gegenwärtig untersagt, doch wir könnten es daheim tun.  Wir könnten uns einbinden lassen in den gewaltigen Chor jener vor uns, jener Teil der Menschheit, die seit Tausenden von Jahren singen, als würde es die Angst nicht geben, weil wir gehalten sind von dem einen, der gesagt ich „ich lebe und ihr sollt auch leben“. Wir sollen leben! Wir sollen leben und nicht Mägde und Knechte des Kapitalismus sein, eingebunden in die Tretmühle die Menschen kaputt macht und in gesteigerter Form noch in Zeiten der Krise: Neuer, moderner, schneller, fitter, besser, optimaler, dünner, froher, schöner, jünger, soll alles sein, mehr, mehr, mehr. Lasst uns hier etwas aus der Krise lernen und widersprechen. Wir müssen lernen, was unsere wahren Bedürfnisse sind. Wir sollen nicht Angst haben abgehängt zu werden, wir sollen nicht Angst haben vor dem Geschaffenen, wir sollen uns nicht fürchten für Tieren und Menschen, sondern Gott fürchten und lieben und dieses Fürchten hat nichts mit Angst zu tun, sondern die Anerkennung seines Hoheitsanspruchs über uns. Er hat gewollt, dass wir leben und er will es immer noch. Und er will auch, dass wir nicht in Angst leben müssen. Deshalb stimmen wir in Gedanken ein in den Chor derer, die auch in Angst und Not singen, gegen die Angst. Wir lassen uns in Gedanken hineinnehmen in jenes Geschehen, als Paulus und Silas nach dem sie ausgepeitscht wurden und von Ratten umgeben eingepfercht in den Stock um Mitternacht in den Lobgesang einstimmen.

Die Grundfesten des Gefängnisses erbeben und die Fesseln des Todes fallen ab. Welch ein Lobgesang!

Doch gerade das Singen in der Kirche steht noch unter einem ganz anderen Vorzeichen: Es soll gerade auch in dunklen Momenten gesungen werden, es soll gerade dann, wenn wir in der Gefahr stehen, dass uns die Lebensfreude abhanden zu kommen scheint gesungen werden. Warum?

Nun, unser Gefühl und unsere Stimmung die kann im Wonnemonat Mai genau entgegen dem wundenbaren Aufbrechen der Natur verlaufen. Wir sitzen oder stehen da und können das Schöne gar nicht recht genießen. Das ist in unsere Lage im Moment auch wenig verwunderlich, es geschehen Dinge, die zum Himmel schreien. Doch wenn es nun im Wochenspruch heißt: „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ dann gilt es daran festzuhalten, dass Gott Wunder tut. Deshalb singen wir uns den Kummer von der Seele. Wir singen, dass wir frei werden von der Last, die uns bedrückt. Jammern würde Stress verursachen, Ärger, Unzufriedenheit und Wut sendet Alarmsignale an den Körper , Stresshormone werden ausgeschüttet. Durch unser Singen wird unser Herz in eine andere Richtung bewegt.

Es kommt nicht von ungefähr, dass es in Psalm 103 heißt: lobe den Herrn meine Seele – und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

Darin gilt es sich zu erinnern, dass Gott derjenige ist der Gutes tut. Er wird damit nicht aufhören. Er lässt es zu, dass die Mächte des Bösen sich austoben und dass wir immer wieder schwer angefochten werden in unserem Glauben. Deshalb dieses: Vergiss nicht! Vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. Dazu kann uns auch das Singen bringen, einzustimmen in das Lob Gottes.

Dankbarkeit im Singen ausgedrückt, das bringt dem Leben die Wende. Amen!

Pfarrer Edgar Tuschy