Predigt zum 5. Sonntag nach Trinitatis, 12.07.2020

von Herrn Heinz Frankenberger

Predigttext: Lukas 5, 1-11

 

Also, liebe Leserinnen und Leser, was mir spontan zu Jesus und zu Simon und zu den anderen einfällt, ist diese Sache, damals an unserem See passiert ist.

Also: Ich bin der Fischer Nathan, der See ist der Genezareth oder Kinneret. Es hätte für mich beinahe auch so ausgehen können wie für den Simon und seine Kumpel Jakob und Johann. Ich hab‘s mir aber dann anders überlegt.

Es war so: Von Jesus hatten wir schon einiges gehört; er war an den See gekommen, und eine ganze Menge Leute kam hinter ihm her, sogar über den See waren welche gefahren. Ich hatte schon gehört, dass er gute Reden halte vom Reich Gottes und wie die Menschen leben sollten und dass das Reich Gottes sich gar nicht irgendwann im Himmel abspielen sollte, sondern damit anfange, dass die Menschen Gottes Wort hielten, also die Gebote.

Sie drängten sich an dem Morgen um ihn herum und drückten ihn am Strand beinahe ins Wasser. Gleich nebendran waren wir Fischer und flickten die Netze. Da stieg er in eines unserer Boote, ließ sich ein paar Meter weit hinausfahren und redete von dort zu den Leuten. Das war genial, den so konnten ihn alle sehen, die da an der Uferböschung standen und außerdem noch gut hören. Es war eine tolle Rede, und sie kam gut an bei den Zuhörern: so eine Rede von Gott dem Vater, der barmherzig sei – was uns allen gut gefiel, weil es besser war als die Angstmacherei vom Straf-Gott, der auf seine Gesetze pocht. Und ich zu Beispiel hab gespürt, dass das so stimmt, wie er es sagte.

Und dann passierte was Seltsames: Als er fertig war mit seiner Rede, sagte er fast so nebenbei:
»Fahrt hinaus ins Tiefe und werft eure Netze aus!«
Was sollte das denn? Kein Fischer würde mitten am Tag seine Netze auswerfen. Also holt Simon tief Luft: »Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.«
Wie soll das am Tag etwas geben, wenn schon die Nacht ohne jeden Fang geblieben ist? Kein Fang bedeutet: kein Ertrag und keine Nahrung für die Familie. Doch dann gibt er sich einen Ruck und fährt fort
»... aber auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen.«
Jesus hat ihn beeindruckt, ganz klar. Irgendwas bringt ihn dazu, gegen alle Erfahrung zu sagen: „…auf dein Wort hin fahre ich nochmal raus.“
Er winkt seinen Leuten, sie steigen ins Boot und fahren hinaus ins Tiefe und werfen die Netze aus. Wir können‘s beobachten:
Er wird nicht enttäuscht.
Denn die Netze drohen zu reißen, so viele Fische füllen sie. Hektisch winken Simon und seine Leute uns und schreien: »Kommt, helft uns!«
Sie versuchen die Netze festzuhalten, bis wir mit dem anderen Boot sie erreichen. Mit vereinten Kräften laden wir die Fische in beide Boote. Bedrohlich tief sinken diese ins Wasser, so übervoll sind sie.
Vorsichtig bewegen wir die Boote auf das Ufer zu. Nichts vom kostbaren Fang soll verloren gehen. Auf keinen Fall dürfen die Boote kentern.

Am Ufer angekommen, steigt Petrus aus, geht ganz benommen auf Jesus zu – und fällt vor ihm nieder: »Herr, geh weg von mir! Ich bin ein Mensch voller Fehler und Schuld. Ich bin deiner nicht würdig.«
Der Schrecken sitzt uns Fischern in allen Gliedern – und ehrfürchtiges Staunen. Wer ist dieser Mann?

Da verlangt er unsinnig Erscheinendes und dann das!
Ein Fischzug ist uns vergönnt in ungeahnter Fülle.

Und Jesus?

Er hilft ihm auf die Füße und sagt: »Fürchte dich nicht. Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“

Und dann ist das passiert, was für Simon und Jakob und Johann alles verändert hat: Sie versorgten ihre Boote, sagten uns, wir sollten uns um die Fische kümmern, liefen nach Hause und sagten dort Bescheid und gingen mit Jesus weg – ohne weitere Diskussion. Ich war drauf und dran, hinterherzulaufen und mitzugehen; dieser Jesus hatte etwas, eine Kraft, die ich gar nicht beschreiben konnte. Aber ich brachte es dann doch nicht fertig. Ich hatte ja gerade geheiratet, meine Frau war schwanger mit unserem ersten Kind.

Was mich aber sehr beschäftigt hat und auch heute noch nicht in Ruhe lässt: Dieser Satz: „Du wirst Menschen fangen!“ Und dann noch der andere Satz: „Fürchte dich nicht!“

Menschen fangen? Man kann Menschen wie an einer Angel zappeln lassen mit Versprechungen von Glück und Reichtum oder sogar Macht. Man kann sie in einem Netz von Lügen und Halbwahrheiten fangen, aus dem sie sich nicht mehr befreien können.

Ich habe lange gebraucht, bis ich kapiert habe, was Jesus da meinte: Menschen fischen, das ist, mitzuhelfen, dass Menschen zu Gott finden, zu zeigen: Dieses Gottesreich, das jetzt schon da ist, ist ein Netz, in das man sich trauen kann hineinzugehen. Es schnürt einen nicht ein, es fängt einen auf. Es macht einen zu einem anderen Menschen. Dann kann man darauf vertrauen, dass man sich nicht fürchten muss. „Fürchte dich nicht!“ Das hat eine solche Kraft. Man ist ja in Gottes Netz.

Simon und die anderen haben den anderen Weg gewählt und angefangen und gelernt, Menschen für Gott einzufangen – mit Predigen und sogar mit Heilen, wie ich gehört habe.

Ich lebe ja immer noch als Fischer und ich kann meine Familie ernähren. Reich bin ich nicht geworden, aber ich weiß viel besser, was Leben ist: Ich habe ein gutes Ansehen als fleißiger und liebevoller Familienvater, und ich werde um Rat gefragt, wenn‘s ums Thema Fische geht. Und ich habe immer wieder erlebt, dass es sich lohnt, „auf Jesu Wort hin“ Dinge zu tun, die wir normalerweise nicht täten, weil wir ja schon vorher zu wissen meinen, dass sie „nichts bringen“.

Ich kann, liebe Gemeinde, dem Nathan nur beipflichten!

Der Fischzug damals am helllichten Tag ist aber auch ein Bild dafür, dass etwas Sinnvolles gelingen kann, wenn man sich nicht davor fürchtet, wie das wohl ausgehen könnte – und wenn man bereit ist, den Erfolg nicht nur auf die eigenen Fähigkeiten zurückzuführen, sondern auch als Geschenk zu betrachten.

Es kommt gar nicht alles auf uns an. Wir dürfen „auf sein Wort hin“ das uns Mögliche tun – und das ist oft mehr, als wir zuerst denken. Alles andere ist Gottes Sache.

„Auf sein Wort hin“ einem Menschen etwas zutrauen, obwohl man ja nicht weiß …

„Auf sein Wort hin“ eine neue Aufgabe anpacken, obwohl zuerst gar nicht glauben will, dass man das kann.

„Auf sein Wort hin“ eine Veränderung wagen, um einen Konflikt aufzulösen.

„Auf sein Wort hin“ Menschen fischen; aber nicht etwa Menschen mit Ködern „ins Netz locken“, aber ihnen dieses Netz anbieten: Gott ist da. Er lässt dich nicht im Stich. Wag den Versuch, auf seine Hilfe zu trauen. Er wird’s gut machen, nicht immer so, wie du es gerne hättest, aber so, dass es gut ist.

„Auf sein Wort hin“ Gott zu lieben und zu ehren, indem wir versuchen, seinen Willen zu tun und für unsere Nächsten zu sorgen - und für uns selbst aber auch, damit wir überhaupt sorgen können.

„Auf sein Wort hin“ uns überraschen lassen und erleben, wie Gott uns und andere oft genug unversehens und überreich beschenkt.

Ich wünsche Ihnen, dass auch dieser Morgen und dieser Tag ein Geschenk für Dich und für Sie ist.

Amen.

Prädikant Heinz Frankenberger
Prädikant im Ev. Kirchenbezirk Mühlacker