Lesepredigt zum Sonntag Lätare, 14. März 2021

von Prädikant Heinz Frankenberger

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Evangelist Johannes erzählt im 12. Kapitel seines Evangeliums von den besonderen Ereignissen mit und um Jesus in der Woche vor dem Passahfest.
In Betanien werden Jesus bei einem festlichen Essen die Füße mit kostbarer Nardensalbe eingesalbt. Mit überschwänglicher Verehrung und Liebe pflegt Maria die Füße des Meisters, als ob sie einem König dienen würde.

Als er am folgenden Tag nach Jerusalem hinein geht, hat sich die Nachricht von seinem Kommen schon wie ein Lauffeuer verbreitet und er wird von einer großen Menge von Menschen begrüßt wie ein König. „Hosianna, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn.“ „Hosianna – Hilf doch!“ ist der Hilferuf an einen König (so weiß man es aus dem Ersten Testament). Dieser triumphale Einzug, von Jesus wohl nicht so gewollt, macht auch Gäste von außerhalb neugierig. Davon berichtet Johannes.

Ich lese den Predigttext aus Johannes 12, 20 - 24:

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest.
21 Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen.
22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen's Jesus.
23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“
Diesen Ausspruch Jesu möchte ich gerne mit Ihnen bedenken – allerdings mit Hilfe eines modernen Liedes.
Jürgen Henkys, 2015 verstorben, hat etliche Lieder aus europäischen Ländern auf Deutsch nachgedichtet. Eines davon nimmt diesen Jesus-Spruch auf.

Die Melodie und das Lied finden Sie im Gesangbuch unter Nummer 98.

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt – Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt.

Das ist das Bild, das Jesus für den Weg benutzt, von dem er weiß, dass er ihn zu gehen hat bis in den Tod wenige Tage später – nach dem, was ich Ihnen einleitend erzählt habe.

Keim der aus dem Acker in den Morgen dringt. Aus dem (toten?) Korn treibt das kleine Pflänzchen mit den schmalen grünen Blättchen. Das Bild für die die Liebe Gottes, von der man doch schon sagte, sie sei tot, die gebe es doch gar nicht mehr. Aber wie der grüne Halm aus dem Keim emporwächst, so wächst die Liebe doch, so wird sie wieder sichtbar. Grün ist die Farbe der Hoffnung, denn überall, wo man braun und grau den Winter kennt, überzieht sich im März alles wieder wie mit einem grünen Schleier.

Es ist ein Wunder, dass der Keim wächst, denn das Lied weiß, dass eigentlich doch alle Hoffnung verloren war.

Die zweite Strophe:

Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot! Wie sollte er noch flieh’n?
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Diese Liebe, von der man sagte, sie sei längst tot, diese Liebe Gottes, ist Jesus in Person.

Die Welt hat diese Gottesliebe verurteilt, immer wieder von neuem wird bis heute der Stab über sie gebrochen – das Todesurteil verkündet, und man jubelt:

„Endlich ist die Liebe tot! Vor ihr Grab wird der Stein gewälzt. Jesus ist weg, endlich sind wir ihn los! Er kann nicht mehr heraus aus dem Felsengrab.“

Liebe ist nämlich unbequem, Liebe hindert an Eigennutz, Liebe vermindert den Gewinn, den ich für mich selber aufhäufen kann, um ihn zu besitzen, Liebe hindert daran, sich selber groß zu machen und groß zu fühlen.

Der Refrain des Liedes sagt aber etwas anderes: Die Liebe tot im Grab? Nein, sieh da! Die Liebe wächst – wie Weizen – der Halm ist grün! Liebe wächst – und es gibt wieder Hoffnung und Zuversicht.

Es ist nämlich etwas geschehen:

Die dritte Strophe:

Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn.

Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien.
Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.

Gottes Samenkorn, das Wort Gottes – von Jesus gepredigt und gelebt – vor einem guten Monat war es Thema im Gottesdienst in einem von Jesu Gleichnissen. Es war im Gestrüpp und unter Dornen verloren, zugedeckt, überwuchert von vielem, das Trostwort und Verheißung und Hoffnung zudecken und letztlich umbringen kann.

Das Herz – das Menschsein – sei gefangen wie die Liebe im Felsengrab.

Doch dabei bleibt es nicht:
Zwei Sätze öffnen die Zukunft: „Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien.“ In zwei Sätzen ist im Lied der Weg vom Karfreitag, an dem alle Liebe zu Ende schien, zum Ostermorgen durchschritten.
Ostermorgen heißt: Er ist auferstanden! Christus lebt! Und das heißt: Gottes Liebe lebt!

Damit ist gesagt: Mit Jesu Tod am Kreuz war eben nicht alles begraben, sondern Gottes Liebe lebt und wächst, so wie jedes Jahr von Neuem Weizen wächst aus Samenkörnern, die in der Erde keimen.
Das Bild vom Weizenkorn zeigt, dass Liebe wächst, wenn man ihr die Chance gibt zu wachsen: wenn man also Liebe sät, indem man sie gibt.
Jedes Weizen-Saatkorn bringt etwa 25 bis 40 Weizenkörner. Ein Körnchen Liebe kann sich also vervierzigfachen! Es bringt viel Frucht im eigentlichen Sinne, aber auch im übertragenen Sinne.
Gottes Liebe zeigt sich in Jesus, der wie ein Weizenkorn in den Tod versinken musste. Jesus hat diese Liebe Gottes zu seinen Menschen gepredigt und gelebt, so dass sie bei vielen Menschen keimen und wachsen und immer wieder neu Frucht bringen konnte und kann.

Wir können ebenso Weizenkörner sein und viel Frucht bringen, Wir müssen dazu nicht sterben, aber womöglich die eine oder andere Gewohnheit ablegen. Also das tun, was wir in Christi Sinne sehr wohl können, wenn wir uns auf die Kraft Gottes verlassen, die uns ja zugesprochen ist:

  • Nächstenliebe üben
  • uns selbst wertschätzen
  • uns anderen Menschen zuwenden
  • zuhören, offen sein,
  • uns erbarmen, wo Erbarmen nötig ist,
  • fördern, wo Förderung gebraucht wird.

Eine kleine Auswahl, wie man Frucht sein kann und gleich wieder neue Frucht säen kann.

Nur Mut! Denn: Liebe wächst wie Weizen, und der Halm ist grün!

Darüber können wir getrost rufen: Lätare! Freuet Euch!

 

Amen

 

Heinz Frankenberger
Prädikant im Kirchenbezirk Mühlacker