Lesepredigt vom 17. Januar 2021

von Prädikant Heinz Frankenberger

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Schon von weitem hört man die Musik: Schalmeien, Flöten, Trommeln, Gesang, Jauchzen, Gelächter, laute Rufe, dazwischen auch mal ein Juchzer. Je näher man kommt, desto lauter wird der Trubel. Dann riecht man den Rauch des Bratrostes, den Duft von Gebratenem, den Duft von frischem Brot. Fackeln erhellen den Festplatz; man sieht bunte, festliche Gewänder, Tänzerinnen und Tänzer. Mittendrin die Braut, in kostbare helle Stoffe gehüllt, mit glitzerndem Schmuck behängt, daneben den strahlenden Bräutigam – ein Fest! Ein Hochzeitsfest!

Dazwischen irgendwo in der Menge steht Jesus, bei ihm seine gerade erst gerufenen ersten Jünger. Man unterhält sich, man debattiert. Dazwischen auch Maria, die Mutter von Jesus. Sie steht nahe bei der Ausgabe von Essen und Getränken. Sie merkt, dass der Speisemeister unruhig wird und sich an den Weinkrügen zu schaffen macht. „Wir haben keinen Wein mehr! Eine Blamage!“

Maria windet sich durch durchs Gedränge, trifft auf ihren Sohn, flüstert ihm ins Ohr: „Sie haben keinen Wein mehr!“ Jesus antwortet: „Lass mich in Ruhe, Frau! Meine Zeit ist noch nicht gekommen!“ Maria lässt sich nicht entmutigen – sie hofft, dass ihrem Sohn irgendeine Lösung einfällt. Sie sagt zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut.“ Da stehen sechs Krüge von je zwei bis drei Maß Inhalt. Ein Maß sind ungefähr 30 Liter. Immerhin wendet sich Jesus den Dienern zu und weist sie an: „Füllt die Krüge mit Wasser!“ Sie tun, was er sagt. Jesus schaut ihnen zu und fordert sie dann auf: „Schöpft und bringt dem Speisemeister!“ Der kostet, schmeckt Wein – köstlich! – und fragt aufgeregt: „Woher kommt dieser Wein?“. Er rennt zum Bräutigam und sagt: „Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt aufgespart.“ Man kennt das Ereignis unter dem Titel „Die Hochzeit zu Kana“.

Damit verlassen wir den Schauplatz des Festes …

Warum Johannes die Episode erzählt, erklärt er in Vers 11: Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Zeichen – semeion – nennt Johannes das, was Jesus getan hat – Zeichen für Jesu Herrlichkeit, dass er also Mensch ist und trotzdem noch viel mehr: Der Sohn Gottes, der, der von Gott kommt. Wir haben also nicht einfach nur einen Tatsachenbericht, sondern Johannes entfaltet in diesem Bericht auch seine Botschaft.
Man findet einige Elemente, die sich lohnen, etwas beleuchtet zu werden.

Jesu erstes Zeichen findet auf einem Fest statt. So ein richtig tolles großes Fest kann man als Sinnbild für Gottes neue Welt voller Freude am Ende der Zeiten sehen. Ein Hochzeitsfest mit Bräutigam und Braut weist in der Tradition immer auf die Verbindung Gottes mit Israel hin, und die Hochzeit selbst ist gemeint als Verbindung fürs ganze Leben, bezogen auf Gott und das Gottesvolk also als untrennbare Verbindung für alle Ewigkeit.

Wein gilt auch heute noch als Symbol für die Fülle des Lebens. Zu einem guten Fest gehört guter Wein. Dass aus Wasser Wein wurde, steht dafür, dass Jesus im Wein die Fülle des Lebens gibt.
Später wird er verheißen:
Ich bin das Brot des Lebens!  
Ich bin das Licht der Welt!
Ich gebe euch lebendiges Wasser!

Alles als Bilder für die unerschöpfliche Fülle dessen, was von Gott kommt.

(Es gibt sicherlich gute Gründe, wenn Menschen feststellen, dass man auch ohne Alkoholika ganz toll Feste feiern kann. Der Wein steht hier als Symbol.)

Jesu erstes Zeichen geschieht – wie alle späteren auch – ohne großartige Ankündigung, beinahe wie nebenbei. Zwei Anweisungen genügen, kurz und bestimmt. Und es geschieht, was für die Menschen auf diesem Fest jetzt gerade gut und wichtig ist. Später wird es ums Gesundmachen und Gesundwerden gehen, ums Heilwerden, um Heilung von körperlichen oder seelischen Leiden.
Jedenfalls zeigt Johannes den Hörern seines Berichts:

Hier sieht man:  Dieser Jesus hat die Macht – er hat sie von Gott.

Ich halte für wichtig: Jesus tut etwas nicht, weil er ein Wunder tun will, damit die Leute an ihn glauben, sondern er tut es, weil er weiß, dass er die Kraft von Gott hat, und weil er Menschen helfen will und kann.

Irritieren kann der Satz: „Lass mich in Ruhe, Frau!“ Nicht „Mutter“ also, sondern „Frau“, was nicht abwertend gemeint ist, sondern eher meint, dass Jesus unabhängig von der Mutter-Sohn-Beziehung handeln will. Er tut, was er will, wann er es will, wann sein Vater es ihn tun lässt – deshalb auch: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“

Ein kleiner Satz fällt kaum auf: „… und seine Jünger glaubten an ihn.“ Glauben sie, weil ihr Meister Wasser zu Wein verwandeln kann? Oder glauben sie, weil sie weit über den Sachverhalt hinaus zum ersten Mal erahnen, dass sie es nicht nur mit einem Rabbi zu tun haben, sondern mit einem, der ganz andere Kräfte und Möglichkeiten hat, als sie sich vorstellen konnten, mit einem, der wirklich von Gott kommt?
Sie werden später zwar schier verzweifeln, weil er gescheitert zu sein scheint, als er gekreuzigt wird.
Sie werden es aber erfahren und erleben als ein Wunder, dass er in der Auferstehung gesiegt hat und eben nicht gescheitert ist.

Mit den Wundern ist es doch letztlich so: Sie geschehen unerwartet; man kann nicht mit ihnen rechnen. Wenn man auf ein Wunder wartet, wartet man vergebens – und verhindert vielleicht sogar, dass man sich auf die eigenen – von Gott geschenkten! – Kräfte besinnt und sie verwendet. Oft genug kann man erst im Rückblick – hinterher – sehen und staunen, wie sehr einen Gott behütet und geleitet hat, wie er in für uns unerklärbarer Weise gewirkt hat oder hat wirken lassen.

Wie Wunder geschehen, ist unerheblich. Das Ergebnis ist entscheidend. Hier ist der Wein sogar besser als der bisher ausgeschenkte und dann auch noch in großer Menge vorhanden. Der Küchenaufseher staunt nicht schlecht. Auf das Ergebnis kommt es an. So ist wahrscheinlich auch unsere Lebenserfahrung. Hinterher entdeckt man, wozu manche Not, wozu mancher Mangel gut war. Hinterher entdecken wir: »In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott, über [uns] Flügel gebreitet« (EG 316,3)

Im Rückblick kann man begreifen. Es ist wie bei den Spuren im Sand. Manche kennen die Geschichte (nach: http://www.spuren-im-sand.de/): »Eines Nachts hatte ich einen Traum: Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn. Vor dem Nachthimmel erstrahlten, Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben. Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand, meine eigene und die meines Herrn. Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte, dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten Zeiten meines Lebens. Besorgt fragte ich den Herrn: »Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein. Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am meisten brauchte?« Da antwortete er: »Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen.«.

Amen

 

Heinz Frankenberger,
Prädikant im Kirchenbezirk Mühlacker

 

Predigttext:

Johannes 2, 1-11

1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.
3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut.6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße.7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm.9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
12 Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nur wenige Tage dort.