Lesepredigt zum Sonntag, Kantate 2. Mai 2021

von Prädikant Heinz Frankenberger

Über Psalm 98 und EG 287 Singet dem HERRN ein neues Lied

 

Liebe Leserin, lieber Leser!!

Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder! Psalm 98,1

Der Psalm 98 ist wahrscheinlich in der Zeit nach 535 v. C. entstanden. Das war die Zeit, als die Israeliten, die aus der „Babylonischen Gefangenschaft“ zurückgekehrt waren, schon wieder mit dem Aufbau des Tempels in Jerusalem begonnen hatten. Er ist sicherlich gedichtet worden als Lied für festliche Gottesdienste. Man darf sich gerne vorstellen, dass er mit vielen Sängern und vielen Instrumenten aufgeführt wurde.

Sein Anfangswort „Singet“, lateinisch „Cantate“, gibt dem heutigen Sonntag seinen Namen. Ich habe ein bisschen aus Trotz diesen Text gewählt: Wir dürfen nicht singen, Sie dürfen nur zuhören, aber ich meine, wir können wenigstens über das reden, was eigentlich gesungen werden müsste.

Sie sehen, dass das Wort „Herr“ großgeschrieben ist. HERR – so hat Luther schon gekennzeichnet, dass im hebräischen Urtext mit den quadratischen Buchstaben „JHWH“ steht, das heißt „Jahwe“., der Gottesname, den Juden auch heute noch aus Ehrfurcht nicht aussprechen, sondern z.B. durch „Adonai“ oder „Der Ewige“ ersetzen.

Gott selber ist also gemeint, er wird wie ein König angeredet.

Die benachbarten Psalmen 97 und 99 reden ihn direkt als „König“ an.
 

Ein neues Lied – ein Lied mit neuen Inhalten, mit einem neuen Text, mit einer neuen Melodie soll und darf gesungen werden, denn Gott tut Wunder; Wunderbares hat er getan.

 

1 b Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.

Er schafft Heil. Die Basisbibel übersetzt „Hilfe“, in Martin Luthers Übersetzung steht „Befreiung“. Die Israeliten sind aus der Gefangenschaft in Babylon befreit, die „Rechte“ und der „heilige Arm“ zeigen, dass der HERR wie ein König und Heerführer für sein Volk gekämpft hat.

2 Der HERR lässt sein Heil verkündigen;
vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.

Dieses Hell, die Hilfe, die Befreiung dürfen alle erfahren – die Völker, die ganze Welt. So handelt Gott der HERR. Seine „Gerechtigkeit“ ist, dass alle sich gleich sicher auf ihn verlassen können.

3a Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel,

Er hatte ja Israel als sein Volk erwählt und ihm Schutz, Gnade und Treue zugesagt. Und er hält diese Zusagen. Die ganze Welt kann es sehen:

3b aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

Darum also ein neues Lied:

singet, rühmet und lobet!

Dieses Lied tönt gewaltig mit Instrumenten:

5 Lobet den HERRN mit Harfen, mit Harfen und mit Saitenspiel!

6 Mit Trompeten und Posaunen, jauchzet vor dem HERRN, dem König!

Aber auch die ganze Welt darf tönen und jubeln:

7 Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen.

8 Die Ströme sollen in die Hände klatschen, und alle Berge seien fröhlich

9a vor dem HERRN;

Und dann fasst der Dichter noch einmal zusammen, warum der große Jubel tönen darf:

9b denn er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.

Der HERR und König der ganzen Welt ist er, er setzt das Recht, und damit ist er auch der Richter, der über Gut und Böse oder Schlecht, über „richtig“ und „falsch“ entscheidet.
Nach biblischem Verständnis ist er auch der, der regiert. Sein Vertreter sollte der König in Israel sein. Aber es ist der HERR regiert und richtet über die ganze Welt, die Völker den Erdkreis.

Der Pfarrer Paulus Stein, *1931, + 1993, war in Karlsruhe Schuldekan. Ich habe ihn kennen und schätzen gelernt bei den Fortbildungen für Religionspädagogen, und er war sogar mein Prüfer bei der Prüfungslehrprobe bei meiner Realschullehrerprüfung.

Der hat den Psalm 98 in einem Lied verarbeitet. Er hat aber nur die Strophen 1 und 2 verwendet:

Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.
Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.

1. Er sieget mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm;

der Herr lässt sein Heil verkündigen, er offenbart seine Gerechtigkeit.

Dann verlässt er den weltweiten Horizont des Psalms und spricht den Leser oder Sänger ganz persönlich an. Das Lied ist laut Gesangbuch 1963 entstanden. Da war Paulus Stein Jugendpfarrer in Mannheim-Neckarstadt, das damals, soweit ich weiß, eines der Problemviertel in Mannheim war. Daraus erklärt sich womöglich diese sehr persönliche Ansprache – vielleicht gerade auch an Jugendliche in einem Problemviertel:

Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.
Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.

Der Kehrvers wird nach jeder Strophe wiederholt.

1. Er sieget mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm;
der Herr lässt sein Heil verkündigen, er offenbart seine Gerechtigkeit.

Gott tut Wunder, er siegt. Seine Gerechtigkeit wird offenbar – sagt der Psalm. Aber

 

2. Du meinst, Gott sei sehr verborgen, seine Macht sei klein und gering?
Gott sähe nicht das, was dich bedrückt? Sieh auf dein Leben, er hat dich bewahrt!

Schau hin: Er bewahrt dich! Du kannst es immer wieder sehen, wenn du zurückblickst!

3. Du kennst oftmals deinen Weg nicht, und du weißt nicht recht, was du sollst;
doch da schickt dir Gott die Hilfe zu:
den einen Menschen, der dich gut versteht.

Er bewahrt dich, z.B. durch einen Menschen, der dir begegnet und der ahnt oder weiß und nachfühlen kann, in welcher Lage du bist, und der dich versteht und das auch zeigt.
Und dann fass Mut und vertrau darauf, dass Gott dich führt und bewahrt – väterlich, sagt Strophe 4:

4. Du musst nur zu sehen lernen, wie er dich so väterlich führt;
auch heute gibt er dir seine Hand,
so greif doch zu und schlage sie nicht aus!

Sehen lernen: Gottes Gerechtigkeit wird daran sichtbar und erlebbar, dass man väterlich geführt wird und auch selber führt, wenn man sich auf ihn verlässt.
Es lohnt sich durchaus, auch auf das eigene Leben zurückzuschauen.

Meine Erfahrung ist: Ich habe immer wieder die führende Hand gespürt!

Ich drücke es so aus: Ich habe oft genug den richtigen Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort gehabt.

Also: Gottes Heil, seine Hilfe, seine Befreiung kannst du auch in deinem „kleinem Erdkreis“ erfahren:

ER gibt dir seine Hand – durch Menschen, die dir wohlgesonnen sind. Greif zu! Sei an dieser Hand geführt.

Und sei selbst, wenn du kannst, einer, der seine Hand geben kann und Menschen verstehen will und kann und führen kann, wenn das jemand braucht – mit Gottes Beistand und mit Gottes Kraft.

 

EG 287

Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.
Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.

1. Er sieget mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm;
der Herr lässt sein Heil verkündigen, er offenbart seine Gerechtigkeit.

2. Du meinst, Gott sei sehr verborgen, seine Macht sei klein und gering?
Gott sähe nicht das, was dich bedrückt? Sieh auf dein Leben, er hat dich bewahrt!

3. Du kennst oftmals deinen Weg nicht, und du weißt nicht recht, was du sollst;
doch da schickt dir Gott die Hilfe zu: den einen Menschen, der dich gut versteht.

4. Du musst nur zu sehen lernen, wie er dich so väterlich führt;
auch heute gibt er dir seine Hand, so greif doch zu und schlage sie nicht aus!

Amen

Heinz Frankenberger
Prädikant im Kirchenbezirk Mühlacker