Lese-Predigt vom 20. Dezember 2020

von Pfr. Edgar Tuschy

Gottesdienst  am  4. Advent, 20.12.2020
1. Mose 18,1-2.9-15

Und der HERR erschien ihm im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes saß, als der Tag am heißesten war. 2Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde. 
9Da sprachen sie zu ihm: Wo ist Sara, deine Frau? Er antwortete: Drinnen im Zelt. 10Da sprach er: Ich will wieder zu dir kommen übers Jahr; siehe, dann soll Sara, deine Frau, einen Sohn haben. Das hörte Sara hinter ihm, hinter der Tür des Zeltes. 11Und sie waren beide, Abraham und Sara, alt und hochbetagt, sodass es Sara nicht mehr ging nach der Frauen Weise. 12Darum lachte sie bei sich selbst und sprach: Nun, da ich alt bin, soll ich noch Liebeslust erfahren, und auch mein Herr ist alt! 13Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? 14Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein? Um diese Zeit will ich wieder zu dir kommen übers Jahr; dann soll Sara einen Sohn haben. 15Da leugnete Sara und sprach: Ich habe nicht gelacht –, denn sie fürchtete sich. Aber er sprach: Es ist nicht so, du hast gelacht.

Liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal geraten wir in Situationen oder Lebens-verläufe, in denen sich wichtige Lebenszusammenhänge verwischen. Oft müssen wir zuerst in eine Notsituation geraten, damit uns scheinbar Selbstverständliches als gar nicht so selbstverständlich offenbar gemacht wird.

Das kann z.B. dann sein, wenn sich ein Paar ein Kind wünscht und es einfach nicht klappen mag. Man ist gezwungen zu erkennen, da sind sensible Vor-gänge, die man nicht einfach so „machen“ kann. Abraham`s Frau Sara war so eine Frau, die das am eigenen Leib erfahren musste. So sehr sie sich auch ein Kind gewünscht hatte, es wollte sich keines in ihrem Körper einstellen.

Man mag sich nun vielleicht fragen, was dieser Predigtext mit Advent zu tun hat?

Es bedarf schon ein wenig des Nachdenkens, wenn man Beides gedanklich  zusammenpuzzelt.

Ein Anknüfungspunkt könnte der verheißene Sohn sein. Doch vielleicht ist das vorhergesagte Kind nicht einmal das eigentlich Wichtige an der Sache. Da ist nämlich auch noch ein weiterführender Gedanke: Eine Frau wird schwanger, obwohl es eigentlich unmöglich erscheint. Die eine ist zu alt, die andere ei-gentlich zu jung, vielmehr ist sie nicht verheiratet, wie es damals als Voraus-setzung üblich gewesen wäre, ein Kind zu bekommen.

Doch wenden wir uns zuerst jener Frau zu, die eigentlich zu alt für eine Schwangerschaft ist.

Da wird uns erzählt, dass Abraham und Sara Besuch bekommen. Wir müssen uns gedanklich in diese Szene hineinversetzen. Die Beiden leben nicht in einem Haus, sie sind mit Zelten unterwegs und nun kommen da die 3 Männer, die als Gäste - wie es sich im Orient gehört - angemessen verköstigt werden.

Sara arbeitet im Hintergrund, zeigt sich nicht bei den Männern, doch bekommt alles Wesentliche aus dem Gespräch mit. Wie gesagt, es ist ja kein Haus, sondern ein Zelt, mit allen Möglichkeiten mitzuhören. Und dann hört sie eben auch etwas, was ihr ausgesprochen merkwürdig erscheint: Sie soll ein Kind bekommen, ein eigenes.

Sie kann sich nicht beherrschen, kann ihre Gefühle nicht für sich behalten und das Lachen bricht aus ihr heraus. Und da sie nicht in einem richtigen Haus leben, hört die Gegenseite eben auch ihre Reaktion. Abraham wird gefragt: Warum lacht deine Frau?

Und da fühlt sich Sara ertappt und streitet auch ihr Lachen ab: „Hab wegen etwas anderem gelacht!“

Klar, das, was sie da hört, das kann sie nicht in ihr Denken einordnen, das kann sie nicht verstehen, das passt nicht in ihre Vorstellungswelt.

Und nun sind wir genau an dem entscheidenden Punkt:
Können wir uns vorstellen, dass Maria von Gott schwanger wird?
Können wir uns vorstellen, dass Gott Mensch wird?

Doch das kommende Weihnachtsfest verkündigt uns genau das.

Für uns wird das wohl bedeuten: Genau da, wo unsere Möglichkeiten im Alltag enden, da beginnt Gottes Wirken, da fängt sein Eingreifen an, da beginnen auch seine Verheißungen wahr zu werden.

Für Sara heißt das: Da entsteht eine Fruchtbarkeit mitten in der Wüste. Eine Frau bekommt ein Kind, die nicht mehr damit rechnen konnte, weil es der Kör-per natürlicherweise nicht mehr hergibt.

Und nun vollzieht sich bei Maria ein ähnliches Schauspiel: Gott wird in Maria Mensch, eine „unmögliche“ Zeugung und Geburt, auch hier ein Kind der Verheißung.

 

Gott kennt kein social distancing.
Gott kommt auch dann, wenn wir es überhaupt nicht erwarten, auch wenn wir meinen, dass seine Verheißung an unserer Lebenswirklichkeit vorbeigeht. Gott begegnet auch denen, die abgeschlossen haben, denen, die Schuld mit sich herumtragen und davon ausgehen, dass Gott nichts mehr mit ihnen zu tun haben möchte.

 

Gerade nun in diesen „besinnlichen“ Tagen treibt es uns dahin in die Zukunft mit unseren unerfüllten Wünschen und Sehnsüchten. Wir haben gelernt sie zu verdrängen und versuchen sie zu verbergen. Wenn wir lachen, dann eher aufgesetzt und nicht so spontan wie bei Sara. Uns ist der Spass vielleicht zwischenzeitlich vergangen. Man schleppt sich mehr schlecht als recht in die nächsten Tage und die nächsten Wochen.

Rechnen wir freilich in diesem Advent mit allem, auch mit dem Schönsten. Wir wissen ja, es kann sich urplötzlich, gleichsam wie mit der Kraft eines Sonnenstrahls das ganze Nebelmeer um mich herum auflösen. Dann ergibt sich für mich wieder eine ganz andere Perspektive. Oder auch umgekehrt. Quasi übernacht kann es schneien und die Welt ist mit Schneeglanz überzogen und nicht mehr wiederzuerkennen. Trauen wir es unserem Gott noch zu, dass er auch bei uns anfängt zu handeln?

Was wäre denn, wenn nicht wir diejenigen sind, die Weihnachten inszenieren, sondern wenn unser Gott einfach jeden Abstand überwindet?

Rechnen wir damit, dass wir auch mitten in Coronazeiten mit Gottes Hilfe eine gute Zukunft haben. Rechnen wir durchaus damit, dass es künftig gerecht zugehen wird, weil Gott in dieser Welt Einzug hält!

Wir sollten nicht lachen, denn wenn Gott kommt wird er seine Verheißungen wahrmachen, eben wie bei Sara und Maria.

Amen.

Pfr. Edgar Tuschy