Predigt zum 16. Sonntag nach Trinitatis, 27.09.2020

von Herrn Heinz Frankenberger

Predigttext: 2. Tim 1, 7-10

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

haben Sie Mut? Brauchen Sie neuen Mut?

Sicherlich kennen Sie auch solche Situationen, in denen man jemand braucht, der einem wieder Mut macht. Wir leben ja nun schon monatelang in einer Lage, bei der einem schon mulmig werden kann, vor allem, wenn man sich nicht wirklich sicher sein kann, dass schon die Begegnung mit anderen Menschen ohne Krankheitsfolgen bleibt. Da braucht man auch Mut und manchmal Besonnenheit. Oder Sie treffen auf einen Menschen, bei dem Sie spüren, Sie sollten oder dürfen ihm Mut machen.

Zu so einer Mut-nötig-haben – Situation schreibt einer im 2. Tim 1, 7-10 (Ich benutze den Text der Basis-Bibel.):

7 Denn der Geist, den Gott uns geschenkt hat, lässt uns nicht verzagen.

Vielmehr weckt er in uns Kraft, Liebe und Besonnenheit.

8 Schäme dich also nicht, als Zeuge für unseren Herrn aufzutreten. Und schäme dich auch nicht für mich, weil ich seinetwegen in Haft bin.

Sondern sei bereit, mit mir für die Gute Nachricht zu leiden. Gott gibt dir die Kraft dazu.

9 Er hat uns gerettet, und er hat uns berufen durch seinen heiligen Ruf.

Das geschah nicht etwa aufgrund unserer Taten, sondern aus seinem eigenen Entschluss – und aus der Gnade, die er uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus geschenkt hat.

10 Aber jetzt wurde diese Gnade offenbardurch das Erscheinen unseres Retters Christus Jesus. Er hat den Tod besiegt. Und er hat durch die Gute Nachricht unvergängliches Leben ans Licht gebracht.

In unserem Predigttext geht’s um‘s Mut machen und um’s Mut gewinnen. Da wird nämlich einem Mut gemacht. Da soll einer den Mut haben, dass er das Evangelium, die gute Botschaft vom menschenfreundlichen gnädigen Gott, predigt und sich nicht schämt oder besser: zurückzieht, wenn gefordert ist, dass er mit seiner Person für sie eintritt.

Ob der der Schreiber dieses Mutmachtextes Paulus war und der junge Mann tatsächlich Timotheus, der Paulus‘ junger Assistent war, - oder ob dieser Brief an einen Timotheus erst hundert Jahre nach der Pauluszeit geschrieben wurde, wie man heute annimmt, spielt eigentlich keine Rolle.

Der eine sitzt wahrscheinlich im Gefängnis und muss mit dem Tod rechnen. Weil er das Evangelium von Jesus Christus verkündigt hat. Das Bekenntnis zu seinem Herrn hat ihn dahin gebracht.

Der andere soll diese Aufgabe nun übernehmen. Er soll sich also in Gefahr bringen? Er soll womöglich dasselbe Schicksal erleiden?

Sich als Christ zu bekennen war in den frühen Zeiten der Christenheit oft lebensgefährlich. Das Schicksal der Jünger Jesu ist bekannt; sicher wissen die meisten hier, dass viele Tausend Menschen in den ersten Jahrhunderten des Christentums wegen ihres Glaubens zu Tode kamen.

Und es gibt auch heute – und heute erst recht wieder – nicht nur im Nahen Osten viele Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens vom Tod bedroht sind und getötet werden.

Lebensgefährlich ist das Christsein bei uns nicht, aber unangenehm kann es schon werden. Kennen Sie die Momente, in denen Sie innerlich zusammenzucken, weil Sie merken: Eigentlich bin ich als Christ jetzt gefragt: im Betrieb, in der Nachbarschaft, in der Familie. Ich müsste jetzt als Christ Stellung nehmen, als Christ reden, womöglich sogar als Christ handeln.

Da geht es ja gar nicht darum, dass man die Kernsätze des christlichen Bekenntnisses und von Leben, Tod und Auferstehung Jesu draußen auf dem Platz predigt,

sondern da geht es zuerst einmal um ganz alltägliche Situationen, in denen gefordert ist, dass man als Christ denkt, redet und handelt.

Denn zum Christsein gehört:

- dass zum Beispiel Nächstenliebe geübt wird,

- dass die Würde des anderen geachtet wird und nicht schon durch die Wortwahl erkennbar wird, wie wenig einen der andere interessiert,

- dass die Wahrheit gesagt und nicht irgendwelche aufgeblasenen und hohlen Sätze verbreitet werden,

- dass nicht sinnlos zerstört wird, wo das sorgsame Bewahren gefragt wäre,

- dass nicht sinnlos vergeudet wird, wo mit dem Vorhandenen sinnvoll umzugehen wäre.

Mit seiner Art zu denken, zu reden und zu handeln zeigt man zu allererst, dass man Christ ist. Das ist sozusagen die „Alltagspredigt“ an jeden Tag, mal mehr, mal weniger dringlich gefordert. Ja sicher: Man eckt an, man bekommt Widerspruch, man spürt womöglich sogar Verachtung, wird für „schwächlich“ gehalten.

Manchmal bin ich aber auch gefordert, zu sagen, woher ich den Mut habe, als Christ zu denken, zu reden und zu handeln.

Woher bekomme ich den Mut?

Erstens: Paulus schreibt dem Timotheus auf:

»Schäme dich des Zeugnisses« – wörtlich sogar des »Martyriums« – »von unserem Herrn nicht«. Dieses »Schämen« ist viel mehr als »sich genieren«. Schämen meint, das Evangelium aus Angst um sein Leben, aus Angst vor einem möglichen Leiden, zu verschweigen. Sich zurückziehen, um in nichts hineinzugeraten, um sich keiner Gefahr auszusetzen. Paulus sagt an anderer Stelle von sich selbst: Ich schäme mich des Evangeliums nicht. Ich kann, ich darf es nicht verschweigen.

Denn Jesus hat dem Tode (dem „Nicht Leben“) die Macht genommen. Er ist selbst für seine Botschaft vom Gott, der die Menschen liebt und deshalb will, dass die Menschen einander lieben,

und er ist für sein eigenes liebevolles Handeln, das die Menschen bis zum Hass irritiert hat, bis in den Tod gegangen.

Wir bekennen, dass Gott ihn nicht im Tode gelassen hat, dass er auferstanden ist und dass er lebendig ist.

Diese Botschaft hat sofort und immer wieder Menschen dazu gebracht, das „Nicht - Leben“ aufzugeben und lebendig zu werden. Sie haben gelernt, im Sinne Jesu zu denken, sie haben gelernt, im Sinne Jesu zu reden, sie haben gelernt und gewagt, im Sinne Jesu zu handeln.

Das ist vor allem für uns Lebende erst mal gemeint, wenn dem „Nicht Leben“ – dem Tode – die Macht genommen ist, weil Gott ganz sicher auf unserer Seite ist.

Paulus schreibt dem Timotheus noch einen zweiten, auch für uns hilfreichen Grund für das Muthaben auf:

Gott hat uns nicht den Geist der Furcht und der Feigheit gegeben,

sondern den Geist der Kraft – wir können denken, reden, handeln, weil wir Gotteskraft bekommen haben.

Wir haben den Geist der Liebe bekommen, und die ist eine ganz besondere Kraft. Wer diese Kraft hat, hat mehr als nur „Nicht-Hass“ oder „Nicht - Abneigung“. Liebe ist eine Kraft, die vorwärts treibt, wenn man sie zulässt, die Stillstand überwindet, die „Nicht Leben“ überwindet, die Bewegung bringt.

Und wir haben den Geist der Besonnenheit bekommen. Es gibt auch „Selbstbeherrschung“ als Übersetzung für das griechische Wort. Ich deute es heute mal als „Fähigkeit, nicht nur völlig übersprudelnd aktivistisch zu sein, sondern planvoll seinen Kopf benutzen können“, um in dem Sinn zu denken, zu reden und zu handeln, den wir heute zumindest schon angedeutet haben.

Wir müssen die Angst ja nicht aus eigener Kraft besiegen.

Kraft und Liebe und Besonnenheit sind Gaben, die Gott durch seinen Geist in uns ausgesät hat.

Timotheus soll die Gabe Gottes, die in ihm ist, »erwecken«.

Paulus erinnert ihn daran: Der Geist Gottes ist dir gegeben.

Denke daran, Timotheus: in dieser Kraft und aus solcher Liebe und Besonnenheit hat Jesus dem Tod die Macht genommen. Er ging den Weg bis zum Ende. Dieser selbe Geist Gottes wohnt auch in dir. Deshalb »schäme« dich nicht dieses Evangeliums. Zieh dich nicht zurück aus Angst. Tu, was dir aufgetragen ist. Lebe aus dieser Kraft, in dieser Liebe, lass dich nicht erschrecken, sondern tue besonnen deine Arbeit.

Das Lied, das wir nach dem Vaterunser singen werden, singt auf eine poetische Weise davon, was passiert, wenn man die Kraft des Mutes nutzt:

Wo Menschen sich vergessen … da berühren sich Himmel und Erde.

Aber vorher möchte ich gerne mit Ihnen Gott loben für das, was er uns für unser Leben und Lebendig sein geschenkt hat.

Sollt‘ ich meinem Gott nicht singen? Ja, ich darf ihm singen, weil er‘s gut mit mir, gut mit uns meint.

 

Amen

 

 

Heinz Frankenberger
Prädikant im Kirchenbezirk Mühlacker