Lesepredigt vom 7. Februar 2021

von Prädikant Heinz Frankenberger

 

Lese-Predigt zum Sonntag Sexagesimä, 07.02.2021
Predigttext: Lukas 8, 4-15

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Evangelist Lukas erzählt: Es war eine ganze Menge von Menschen zusammengekommen aus allen Städten am See Genezareth. Ich stelle mir vor: Da waren Alte, Junge, Männer, auch viele Frauen, Kinder sogar, die meisten wohl eher arm, viele von harter Arbeit gezeichnet, Bauern, Fischer, Tagelöhner, alle begierig, diesen Jesus zu hören.

Denn Jesus erzählte von Gott, vom Reich Gottes; die Menschen merkten, dass er anders von Gott sprach, als man es am Schabbat in der Synagoge hören konnte.

Er hielt keine gelehrten Vorträge, sondern er erzählte Geschichten, die aus dem Leben der Zuhörer gegriffen waren.

Immer wieder benutzte er das Wort VATER; wenn er von Gott redete, war das, als ob die Menschen zu einer Familie gehören würden, deren Oberhaupt Gott selbst ist. Die Menschen wollten mehr von diesem Gott hören. Sie fragten: Wie ist er denn wirklich? Ist er so unnahbar und streng? Was tut er für uns? Was sollen wir denn für ihn tun? Wie ist das mit dem Gottesreich und dem Himmel, von dem er redet?

Vor allem die Bauern unter den Zuhörern spitzen die Ohren, als sie Jesus reden hören:

(Lukas 8, 5a) „Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen.“

Er erzählte also von einem Bauern!

(5b-8) „Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.
Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.
Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.“

Arbeitete so ein Bauer? Der verhielt sich doch seltsam. Bei diesem Sämann griff man sich doch an den Kopf. Konnte der nicht besser aufpassen? Kein richtiger Bauer war so verrückt wie dieser Sämann. Hatte der etwa keine Ahnung, der Sämann? Wusste er nicht, dass unter Dornen nichts aufgehen kann? Jeder vernünftige Bauer hatte es im Griff, im geübten Schwung, dass der Same auf den fruchtbaren Boden fiel. Gut, das eine oder andere Körnlein ging immer daneben, die Vögel mussten ja auch was zum Leben haben, aber der Großteil fiel doch in die Furche.

Mancher der Zuhörer merkte vielleicht schon, dass mit dieser Sämann-Geschichte doch wohl etwas anderes gemeint war als nur das Aussäen von Getreidekörnern.
Manchmal fing Jesus ja eine Geschichte auch so an: „Mit Gott ist das wie mit einem …“ Hier also zum Beispiel könnte er auch gesagt haben: „Mit Gott ist das wie mit einem Sämann.“
Jesus erzählte also eigentlich von Gott. „So ist er“, sagte er, „wie ein Sämann“, der allerdings nicht besonders sparsam mit seinem Saatgut umging und nicht sehr sorgfältig sein Saatgut auswarf.

Gott sät! Und warum? Weil er – in der Anschauung der Menschen damals und auch in unserer heutigen Anschauung – „verrückt ist vor Liebe“.

Keiner ist so „verrückt“ wie Gott, so „verrückt vor Liebe“. Die Liebe treibt einen nämlich, völlig „verrückte“ Dinge zu tun. Das gilt auch für Gott: Vor lauter Liebe sät er mit vollen Händen aus. Hat er denn so viel? Ja, er hat so viel Liebe, im Überfluss, da schaut er nicht sparsam in den Beutel, da rechnet er nicht und schränkt sich nicht ein.
Jeder weiß doch, dass auf dem Weg nichts Gescheites wächst, in den Dornen alles erstickt, auf Fels nichts gedeiht. Trotzdem lässt er auch dorthin etliche Körner fallen.

Aber: So ist eben Gott, und so ist seine Liebe zu dieser Welt:

Die Liebe hofft und glaubt auch dann noch, wenn alle anderen schulterzuckend aufgegeben haben. Es könnte ja doch sein, dass sich ein Hälmchen durch die Dornen zwängt, dass ein Spalt im Stein ist, der genügend Erde für ein Korn fasst, damit es aufgehen kann. Haben wir so etwas nicht schon gesehen? Pflanzen, die sich zwischen Pflastersteinen durcharbeiten. Die eine zarte Blume, die zwischen den Dornen wächst? Vielleicht geht das Saatgut doch nicht ganz verloren, auch wenn vieles zertreten auf dem Weg liegen bleibt. Vielleicht! So hofft eben die Liebe, und sät und verschleudert sich.

Der Same, der hier ausgeworfen wird, ist das Wort Gottes! „Wort Gottes“ – das ist zunächst mal ein Begriff der Theologen, Wenn man den Begriff mit Inhalt füllt, dann heißt das zum Beispiel:

„Ich habe einen Bund mit euch geschlossen und euch Regeln gesagt, nach denen ihr gut leben könnt.“
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
„Seid barmherzig, wie Gott es auch ist.“
„Sucht den Frieden und jagt ihm nach.“
„Ich schenke euch ein neues Herz und einen neuen Geist.“
„Ich will dem Durstigen geben vom lebendigen Wasser umsonst.“
„Ich lasse dich nicht fallen und verlasse dich nicht.“
Vielleicht fallen Ihnen noch viele andere Worte ein.

Solche Worte sind es, die da ausgestreut werden. Sie werden nicht nur an die ausgestreut, die sowieso zu den Religiösen, zu den Frommen gehören, zu denen, die am Schabat in die Synagoge gehen und beten, die zu denen gehören, die am Sonntag immer im Gottesdienst sind oder immer ihren Streaming-Gottesdienst anschauen auf Youtube.

Dieser Same, das Wort Gottes, ist weit mehr als das Wort des Pfarrers in der Predigt. Samen sind alle biblischen Geschichten und Texte. Die werden erzählt, ausgelegt, diskutiert oder gespielt, im Kindergarten, in der Kinderkirche, im „Wort zum Tag“ im Radio, in Büchern, in Zeitungstexten, im „Wort zum Sonntag“. Das Wort Gottes spiegelt sich in Gebeten, in Liedern, in Songs, in Familien-Gottesdiensten, bei der Taufe, bei der Abendmahlsfeier. Dieser Same wird immer noch und immer wieder ausgestreut, vielleicht ja auch von mir, von Ihnen.

Die Frucht des Wortes erlebt man – oder man sieht sie eben nicht – an den Christen und ihrem Reden und Verhalten in Alltag, an mir und an Ihnen, an den Eltern am Kinderbett, bei den ErzieherInnen, bei den LehrerInnen, bei den PflegerInnen im Pflegeheim, bei den PfarrerInnen bis hin zu den BischöfInnen, am Verhalten des sogenannten christlichen Abendlandes. Man sieht es an dem, was sie tun und lassen, wie sie leiden und Krisen durchstehen, wie sie Schuld zugeben und vergeben. Überall ist gesät und wird immer wieder gesät.

Wohin wird gesät?

Jesus erklärt es seinen Jüngern sogar selbst:
(11- 15) Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden.
Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.
Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife.
Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Welcher Boden sind wir? Sind wir das gute Land? Bringen wir Frucht?

Vielleicht gehören wir ja doch zu dem bisschen Boden auf dem Felsen, auf dem das Pflänzchen dann treibt und sich festklammert. Oder wir gehören zu dem Boden unter den Dornen, und unsere Pflänzchen ersticken dann im Gestrüpp der Sorgen und des Alltags und im Gestrüpp dessen, was man so für „das Leben“ hält.

Aber wenn er so ist, der Sämann, unser Gott, dass er mit einem Herzen voller Liebe und mit vollen Händen nicht nur aufs gute Land, sondern auch in die Dornen wirft und auf den Fels und auf den Weg, wenn er die Hoffnung nicht aufgibt, dass auf dem Fels und unter Dornen doch etwas wächst, dann müssen wir die Hoffnung auch nicht aufgeben. Und es kann doch noch gute Frucht entstehen.

Jürgen Henkys hat ein englisches Lied ins Deutsche übertragen (EG 98). Es redet von der Liebe Gottes, die wie der Keim aus dem Samenkorn austreibt und wie der Weizen wächst, obwohl das Samenkorn tot zu sein schien oder für tot erklärt wurde.

1. Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt,
Keim, der aus dem Acker in den Morgen dringt -
Liebe lebt auf, die längst erstorben schien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

2. Über Gottes Liebe brach die Welt den Stab,
wälzte ihren Felsen vor der Liebe Grab.
Jesus ist tot. Wie sollte er noch fliehn?
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

3. Im Gestein verloren Gottes Samenkorn,
unser Herz gefangen in Gestrüpp und Dorn -
hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien:
Liebe wächst wie Weizen und ihr Halm ist grün.

 

Amen

Heinz Frankenberger (Prädikant im Kirchenbezirk Mühlacker)