325 Jahre Waldenser in Württemberg
Die Welschen kommen!
325 Jahre Waldenser in Württemberg
Gründung von Petit Villars / Kleinvillars
Die Geschichte der Waldenser beginnt mit Petrus Waldus, ein erfolgreicher Kaufmann aus Lyon, der sich 1170 entschloss künftig in Armut zu leben. Er wollte als Laie das Evangelium predigen. Schnell fanden sich weitere Anhänger, die den biblischen Aufruf zur Armut und die wörtliche Auslegung der Bibel mit ihm weiterverbreiteten. Dazu ließen sie die Bibel in die Landessprache übersetzen.
Trotz Predigtverboten und drakonischen Strafen durch die katholische Kirche, breitete sich das "ketzerische Waldensertum" in einem reformierten Protestantismus in Italien, Frankreich und der Schweiz weiter aus. 1685 verbot Ludwig XIV. den Protestantismus in seinem Reich. Das war das Ende der Hugenotten in Frankreich. Sein Neffe, Herzog Viktor Amadeus II. von Savoyen, in dessen Gebiet die Waldensertäler lagen, zog nach.
Darauf folgten wieder blutige Verfolgungen Andersgläubiger und viele Waldenser planten ihre Täler zu verlassen, denn ihren Glauben aufgeben wollten sich nicht.
Getreu dem Leitspruch "Lux Lucet In Tenebris": Gott ist Licht, in ihm gibt es keine Spur von Finsternis (Joh 1,5) oder: Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege (Ps 119,105).
Das nebenstehende Wappen zeigt einen auf der Bibel stehenden Leuchter. Die 7 Sterne symbolisieren die sieben Gemeinden aus der Offenbarung des Johannes, die trotz aller Bedrängnis dem Evangelium treu blieben (Off 1,12-20)
Henri Arnaud, er stammte aus einer hugenottischen Familie, hatte sich um des Glaubens Willen in Torre Pellice niedergelassen. Als Pfarrer und Oberst leistete er mit seiner Gemeinde zunächst noch Widerstand. Der Herzog von Savoyen zwang dann mit Edikt vom 1. Juli 1698 alle Untertanen, Waldenser wie zugezogene Hugenotten, sein Land zu verlassen, wenn sie ihrem Glauben treu bleiben wollten.
So führte Henri Arnaud 1698 etwa 3.000 Glaubensflüchtlinge, mit sechs weiteren Pfarrern, aus der angestammten Heimat in Richtung Genf. Nach der Überwinterung in verschiedenen Kantonen der Schweiz folgte im Frühjahr 1699 der Weiterzug in das evangelische Württemberg und nach Hessen. Die Waldenser wollten ihre früheren Dorfgemeinschaften erhalten und so folgte nach der Ankunft in Dürrmenz eine Aufteilung auf verschiedene Orte im Oberamt Maulbronn. Knapp 360 Flüchtlinge aus Villar Perosa wurden nach Oberderdingen geleitet. Eine an Strapazen reiche, mehrjährige Flucht näherte sich ihrem Ende. Am 19. Mai 1699 bewegte sich ein erster Zug mit 54 Familien durch das Dorf. Südländisch aussehende, ausgezehrte Gestalten, meist ärmlich gekleidet und mit Sandalen an den Füßen. Ihr Hab und Gut in Tragekörben auf dem Rücken und auf wenigen Fuhrwerken, kamen sie zu Fuß aus der Schweiz. Dazu eine Sprache die niemand verstand – eben Welsch.
Die Einquartierung erfolgte in leerstehende, zerstörte Häuser und in die Häuser und Scheunen der Derdinger Bürger. 21 Familien wurden gleich nach Freudenstein weitergeschickt. Für das nötige Brot will die Regierung sorgen. Dazu hatte Vogt Greber bereits Backöfen bauen lassen. Doch schon am nächsten Tag ging eine Beschwerde an die Regierung, da die Scheunen für Heu und Ernte benötigt würden und sie in ihren Häusern unmöglich bis zu 10 Personen aufnehmen könnten. In den Zimmern könnten die Fremden im nächsten Winter nicht bleiben, da zu wenig Betten vorhanden seien. Daraufhin sollten die Flüchtlinge auf weitere Orte verteilt werden. Knittlingen widersetzte sich aber der Aufforderung. Zu viele Häuser waren noch zerstört bzw. abgebrannt und die Bevölkerung zählte gerade mal noch um die 300 Seelen. So konnten nur wenige Flüchtlinge in den umliegenden Gemeinden untergebracht werden. Die meisten Familien mussten somit über den Winter noch in Oberderdingen bleiben.
Wie hart und entbehrungsreich diese Flucht war, lässt sich daran erkennen, dass allein im ersten Monat nach der Ankunft in Derdingen 11 Personen gestorben sind. Aber es findet sich in den Kirchenbüchern auch die Geburt von Georg Friderich Gautier am 18. Mai 1699. Die Eltern stammten "von der Gemeind Villar in Piemont allhier in der Flucht sich aufhaltend".
Schon am 30. Mai 1699 erfolgte die Anordnung, die Kolonie Villars bei Knittlingen zu bauen. Der größere Teil an der Markungsgrenze Derdingen/Knittlingen und ein kleinerer Teil auf Ölbronner Gebiet an den Markungsgrenzen zu Knittlingen und Ruit. Doch erst im Frühjahr 1700 wurden die ersten Parzellen ausgezeichnet. Die Waldenser errichteten behelfsmäßige "Bretterbuden" und begannen mit der Rodung der ihnen zugewiesenen Ackerflächen. Diese wurden in der Hauptsache von Ölbronn und Ruit abgetreten. Der abgebildete Lageplan zeigt den Stand der Besiedelung ca. 25 Jahre später. Von einem Kirchenbau ist nichts zu sehen. Kirche, Pfarrer und Pfarrhaus waren nur in Großvillars geplant und der dort ansässige Pfarrer auch für die Waldenser in Kleinvillars zuständig.
Zu erwähnen ist noch die Huldigung am 18.7.1699 in Knittlingen. Mit diesem Treuegelöbnis wurden die Waldenser zu rechtmäßigen Untertanen des Herzogs Eberhard Ludwig von Württemberg. Dieser erließ im September die mühsam mit Unterstützung des niederländischen Gesandten Pieter Valkenier ausgehandelten Privilegien für die Glaubensflüchtlinge. Beispielsweise: keine Leibeigenschaft, freie Religionsausübung, Recht zur Bestellung eigener Pfarrer, Schultheißen und Schulmeister und zur Beibehaltung waldensischer Sitten und Gebräuche, somit auch der französischen Sprache im Gottesdienst.
Walter Meffle