Johann Jacob Steinbeis, 1799 - 1807 Pfarrer in Ölbronn

Magister Johann Jakob Steinbeis, Pfarrer in Ilsfeld 1811-1829

Justinus Kerners liebster Schwager, der Vater des Präsidenten Ferdinand von Steinbeis

Auszug aus einem Artikel von 'Schwaben und Franken, Dezember 1980, Nummer 12 / Seite III':

Wer war Johann Jakob Steinbeis?

Johann Jakob Steinbeis war am 26. 12. 1762 in Vaihingen/Enz geboren und entstammte einer Familie angesehener Bäckermeister. (Die Vermutung liegt nahe, dass er die Vornamen „Johann Jakob" deshalb erhalten hat, weil in jener Zeit der beim "ganzen Volk beliebte  Landschaftskonsulent Johann Jakob Moser vom württembergischen Herzog auf dem Hohentwiel gefangen gehalten wurde.) Er studierte in Tübingen Theologie und war danach Hauslehrer und Erzieher der beiden Söhne einer adeligen Hugenottenfamilie in Braunfels/Lahn. Dabei hatte er Gelegenheit, einige fremde Länder kennenzulernen, auch stand ihm eine große Bibliothek zur Verfügung. Als die Söhne dieser Familie die Hohe Karlsschule in Stuttgart besuchten, durfte sie Steinbeis begleiten und weiterhin betreuen.

Auf der Hohen Karlsschule kam Steinbeis mit der Familie Christoph Ludwig Kerner in Berührung.

Zunächst waren es Karl Kerner (später General und Minister) und Georg Kerner (später Arzt in Hamburg), dann deren Schwester Auguste Wilhelmine Charlotte und schließlich auch der jüngste Kerner-Sohn, Justinus (damals noch Christian gerufen). Justinus Kerner verdanken wir auch die beste Schilderung und Charakterisierung dieses Pfarrers. In seinem „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit" schreibt er: „Es war ein Mann voll Geist und Humor. Durch sein Äußeres konnte er für ein gewöhnliches Mädchen nicht erobernd sein; denn schon im mittleren Alter hatte er ein Silberhaar, das nur in einem Kranze den kahlen, glänzenden Schädel umgab. Dabei waren seine Gesichtszüge sehr lang, aber sein hellblaues Auge war voll Geist, und was er nur sprach, musste man gern hören." Und ein andermal heißt es, dass das reichhaltige Sagengut der Maulbronner Gegend dem jungen Justinus Kerner niemand so köstlich erzählen und erklären konnte wie Steinbeis.

Der junge Steinbeis aber, so sehr es ihn verlangte, wagte lange nicht, um die Hand der Tochter Wilhelmine des Oberamtmannes anzuhalten. Als die Familie Kerner 1795 von Ludwigsburg nach Maulbronn übersiedelte, bewarb er sich, um in der Nähe von Wilhelmine zu sein, um die Pfarrstelle in Ölbronn. 1799 starb dann der Vater Kerner, und die Familie geriet in größte Not. Nun wagte Steinbeis die schon lange fällige Anfrage, und er erhielt nicht nur von Wilhelmine, sondern auch von seiner künftigen Schwiegermutter eine zustimmende Antwort. Die Ehe wurde sehr glücklich. Bereits in Ölbronn sind den Eheleuten vier Kinder geboren -worden, darunter 1807 der Sohn Ferdinand. Zwei weitere Kinder sind dann in Ilsfeld geboren.

Im September 1811 zieht Johann Jakob Steinbeis als neuer Pfarrer in das Ilsfelder Pfarrhaus ein. Das Pfarrhaus ist geräumig, bald nimmt auch die Schwiegermutter, Friederike Louise Kerner dort Wohnung. Und immer wieder kommen Gäste: Der Schwager Karl Kerner, der unter Napoleons Befehl die württembergischen Truppen nach Rußland führen muss, verabschiedet sich von Mutter, Schwester und Schwager. Justinus Kerner kommt, ist doch die Pfarrfrau seine Lieblingsschwester und der Pfarrer selbst seit 20 Jahren sein väterlicher Freund. Einmal bringt Justinus auf den Armen sein bewußtloses Töchterchen, das er nach einem Unfall auf der Löwensteiner Steig bis nach Ilsfeld getragen hat.

Ilsfeld selbst war damals ein größerer, mit Mauern und Türmen umgebener Marktflecken und gehörte, wie Untergruppenbach und Abstatt auch, zum Oberamt Besigheim. Es war vorwiegend eine Bauerngemeinde mit einer großen (1800 ha) und fruchtbaren Markung, darunter 300 ha Wald. Doch war auch das Gewerbe in den verschiedensten Formen recht zahlreich vertreten. Die Ilsfelder Mühlen, Gerbereien, Pottaschesiedereien, die Schreiner, Schmiede, Wagner und Weber versorgten nicht nur die Ilsfelder, sondern vielfach auch die Einwohner der Nachbargemeinden.

In dieser Gemeinde nun hat Johann Jakob Steinbeis 18 Jahre den Dienst als Pfarrer, Schuloberhaupt und Gemeinderichter versehen, und in dieser Zeit sind auch seine Kinder groß geworden, auch der Sohn Ferdinand, auf den die Ilsfelder Gewerbebetriebe einen nachhaltigen Einfluß ausgeübt haben.

 

Quelle: Schwaben und Franken, Dezember 1980, Nummer 12 / Seite III

Aus dem Leben von Ferdinand von Steinbeis

Ferdinand von Steinbeis – Sohn eines Ilsfelder Pfarrers

Quelle: Die Evangelische Kirche Ilsfeld, Herausgeber: Ev. Kirchengemeinde Ilsfeld, Dezember 2006, Wiedergabe der Seiten 65-78 in Auszügen

...Die Wiederbesetzung der Pfarrstelle in Ilsfeld trägt das Datum vom 8. August 1811. Das Ministerium für Geistliche Angelegenheiten hielt fest, dass „Seine Königliche Majestät" die erledigte Pfarrei Ilsfeld, Diözese Lauffen, dem Pfarrer Magister Johann Jakob Steinbeis in Niederhofen übertragen habe, und die Besoldung vierzig Gulden, halb Geld, halb Naturalien, betrage. In einer ergänzenden Verfügung wurde bestimmt, dass der Pfarrer am 1. September seinen Dienst in Ilsfeld zu beginnen habe und die Besoldung ab 2. Dezember 1811 erfolge.

Pfarrer Johann Jakob Steinbeis

Johann Jakob Steinbeis wurde am 26. Dezember 1762 in Vaihingen an der Enz als letzter von vier Söhnen des wohlhabenden Bäckerobermeisters und Stadtrates Johannes Steinbeis und seiner Ehefrau Margarete Justine geboren. Seit Generationen übten die Vorfahren das Bäckerhandwerk aus, einige hatten auch das Amt des Bürgermeisters inne. Die zwei ältesten Söhne erlernten der Familientradition folgend das Bäckerhandwerk, der dritte wurde Feldmesser und übernahm das Amt des Bürgermeisters. Johann Jakob, dem Jüngsten, ermöglichte der Vater eine andere Laufbahn. Weil er erfolgreich die Lateinschule in Vaihingen beendet hatte, konnte er auf Empfehlung seines Lehrers die evangelisch-theologischen Seminare Blaubeuren und Bebenhausen, damals Klosterschulen genannt, besuchen und im Anschluss daran mit dem Studium der Theologie in Tübingen beginnen. Von 1781 bis 1786 war Johann Jakob Steinbeis im „Tübinger Stift". Nach Beendigung seines Studiums fand er seine erste Anstellung, wie auch zahlreiche andere Absolventen damals, als Hauslehrer. In Braunfels bei Wetzlar an der Lahn konnte er sich bei der Adelsfamilie du Thil seinen Lebensunterhalt verdienen. Die zwei ältesten Söhne begleitete er zwei Jahre bei einem Aufenthalt an einer Bildungsanstalt in der französischen Schweiz. Von dort führten ihn Bildungsreisen nach Südfrankreich und Italien. Johann Jakob Steinbeis war auch bei seinen Zöglingen, als diese an die Hohe Karlsschule nach Stuttgart wechselten. Die Eindrücke und Erkenntnisse seiner Tätigkeit als Erzieher hat Johann Jakob Steinbeis in zahlreichen Briefen und Aufsätzen festgehalten. Eine 15-seitige „Abhandlung über die Religion" enthält die Aufforderung, Gott, den Schöpfer, zu loben: „Das Licht des Tages, und die Finsternis der Nacht; die Pracht des Frühlings, und die Fruchtbarkeit des Herbstes; die Wärme des Sommers, und die Kälte des Winters, alles, alles ruft uns zu: Mensch gedenke an deinen Schöpfer! Und Ihnen, junger Freund, rufe ich zu: Gedenke an ihn in deiner Jugend!!"

An der Hohen Karlsschule lernte Johann Jakob Steinbeis die Söhne Georg und Karl des Ludwigsburger Oberamtsmanns Christoph Ludwig Kerner kennen. Über die Bekanntschaft mit diesen bildete sich ein Kontakt zur Familie des angesehenen Oberamtmanns. Dort lernte er die am 3. Mai 1782 geborene Tochter Wilhelmine kennen. 1795 wurde Christoph Ludwig Kerner als Kloster-Oberamtmann nach Maulbronn versetzt, im August 1799 starb Christoph Kerner im Alter von 49 Jahren. Seine Frau Friederike Luise Kerner geb. Stockmayer, die beim Tod ihres Mannes ebenfalls 49 Jahre alt war, kehrte wieder nach Ludwigsburg zurück. Johann Jakob Steinbeis trat 1799 seine Tätigkeit als Pfarrer in Ölbronn bei Mühlacker an. Der wohl enge Kontakt zur Familie Kerner in Ludwigsburg blieb dennoch erhalten, das belegen die Briefe, die der zwei Jahrzehnte ältere Pfarrer an Wilhelmine Kerner schrieb. Am 31. Juli 1801 warb der 39-jährige Johann Jakob Steinbeis dann mit wohlüberlegten Zeilen um die Hand der 19 Jahre alten Wilhelmine: „Mademolselle! Ihr Bruder war so gut, mir schon gestern Abend Nachricht davon zu geben, dass er Ihnen meinen ... geäußerten Wunsch bekannt gemacht habe. Hat ihn Freundschaft für mich ... verleitet, den Worten, in welchen Sie sich darüber erklärten, eine für mich so günstige Deutung zu geben ... Sie werden es mir verzeihen, wenn ich es wage, Sie selbst schriftlich zu ... dass es der innigste Wunsch meines Herzens ist und dass mich die Erfüllung desselben höchst glücklich machen würde ..." Am 29. Oktober 1801 traten Johann Jakob Steinbeis und Wilhelmine Auguste Charlotte, die Tochter des zwei Jahre zuvor verstorbenen Oberamtsmanns Christoph Ludwig Kerner in Ludwigsburg an den Traualtar.

Im „Bilderbuch aus meiner Knabenzeit" hat der Dichter Justinus Kerner, der jüngere Bruder von Wilhelmine Steinbeis, seinen Schwager charakterisiert: „Er war ein Mann voll Geist und Humor. Durch sein Äußeres konnte er für ein gewöhnliches Mädchen nicht erobernd sein; denn schon im mittleren Alter hatte er ein Silberhaar, das nur in einem Kranze den kahlen, glänzenden Schädel umgab. Dabei waren seine Gesichtszüge sehr lang, aber sein hellblaues Auge war voll Geist, und was er nur sprach, musste man gern hören."

Sieben Kinder hatten Wilhelmine und Johann Jakob Steinbeis. Das erste Kind der Eheleute, das - wie die Mutter - den Namen Wilhelmine erhielt, erblickte am 29. September 1802 das Licht der Welt. Das Mädchen starb am 4. April 1804. Drei Tage vor ihrem Tod, am 1. April 1804, ist Wilhelmine Charlotte geboren. Am 10. November 1805 kam das Mädchen Charlotte in Ölbronn auf die Welt. Das Geburtsdatum 5. Mai 1807 - morgens um ein Uhr - trägt den Eintrag von Ferdinand Steinbeis im Tauf-register der Kirchengemeinde Ölbronn. Am 21. Mai 1807 wurde das Kind Ferdinand getauft. Taufzeugen waren: Magister Heinrich Zeller, Pfarrer in Wirnsheim, Magister Wilhelm Rothacker, Pfarrer zu Kieselbronn, Frau Friederike Kerner, des hochlöblichen Regierungsraht Kerner hinterlassene Witwe und Frau Anna Mark des Bürgermeisters Steinbeis in Vaihingen Ehegattin

Im Jahr 1807 wirkte Pfarrer Steinbeis in dem zwischen Brackenheim und Eppingen gelegenen Ort Niederhofen für den erkrankten Schwager Ludwig Kerner. Dort wurde am 10. Dezember 1809 die Tochter Auguste geboren. Im September 1811 trat Pfarrer Steinbeis dann seinen Dienst in Ilsfeld an. Hier wurden am 21. Januar 1815 der Sohn Georg und am 22. November 1821 die Tochter Maria geboren.

Pfarrer Johann Jakob Steinbeis mit Familie in l Ilsfeld

...Das zum Oberamt Besigheim gehörende große Marktdorf Ilsfeld im oberen Schozachtal wurde zur Heimat von Johann Jakob Steinbeis, der 29-jährigen Pfarrfrau Wilhelmine, sowie den vier Kindern, die beim Dienstantritt des Vaters 1811 zwischen sieben und zwei Jahre alt waren. Der Sohn Georg und die Tochter Maria wurden dann noch in Ilsfeld geboren. Im Pfarrhaus lebte auch die Mutter von Wilhelmine Steinbeis, Friederike Luise Kerner geb. Stockmayer. Ihr jüngster Sohn, der 1786 geborene bekannte Dichter und Oberamtsarzt Justinus Kerner, kam öfter zu Besuch der Mutter und der Familie des Schwagers nach Ilsfeld. Friederike Luise Kerner ist am 20. Juni 1817 in Ilsfeld gestorben. Johann Jakob Steinbeis, der Schwiegersohn, trug ins Sterberegister ein, dass sie 67 Jahre, 3 Monate und 25 Tage alt geworden und an Schleimfieber gestorben sei. Am 22. Juni, morgens um6 Uhr, wurde Friederike Luise Kerner auf dem Friedhof in Ilsfeld beerdigt.

Der Grabstein auf dem Friedhof in Ilsfeld trägt die Inschrift: „Der mütterlichen Treue — kindliche Dankbarkeit - zum Andenken an Friederike Luise verehelichte Kerner — geborne Stokmaier — gest. d. 20. Juni 1817."

Politisches und kirchliches Umfeld

Die Jahre, in denen Pfarrer Steinbeis in Ilsfeld wirkte, waren durch politischen Umbruch geprägt. Das Deutsche Reich bestand nicht mehr, Württemberg war im Jahr 1806 Königreich geworden. Das Land konnte die innenpolitischen Angelegenheiten nun weitgehend selbst bestimmen. Diese Souveränität erlangte es aber nur durch Abhängigkeit unter die Politik des Kaisers Napoleon und der Unterstützung von dessen Feldzügen, für die von der Bevölkerung hohe Abgaben zu leisten waren. Auch junge Männer wurden bei den Kriegen Napoleons gebraucht. Von den knapp 16 000 Württemberger, die im Frühjahr 1812 am Feldzug nach Russland teilnehmen mussten, überlebten nur einige Hundert. Die württembergischen Truppen wurden angeführt von Kronprinz Wilhelm und General Karl Kerner, dem Bruder von Wilhelmine Steinbeis.

Auch die Kirche befand sich in einer Zeit der Neuorientierung. Schon 1791 wurde ein neues Gesangbuch eingeführt, 1809 folgte eine neue Liturgie. Sowohl gegen den Gebrauch des vom Zeitgeschmack geprägten Gesangbuchs, in dem zahlreiche bewährte und vertraute Lieder nicht mehr zu erkennen waren, als auch gegen die Umsetzung der neuen Liturgie, gab es auch in Ilsfeld - wie in vielen Gemeinden des Landes - erhebliche Widerstände. Aufgabe der Pfarrer war es nun, die Ordnungen im Gottesdienst, dessen Besuch staatsbürgerliche Pflicht war, durchzusetzen. Pfarrer Steinbeis versuchte die Einübung der neuen Melodien zusammen mit der Schuljugend. Doch schon vor dem Orgelvorspiel stimmte die Gemeinde die Lieder in der bekannten Weise an und wehrte sich, unter Anleitung der Schulkinder, die neue Melodie zu singen. Im Gottesdienst muss es ziemlich turbulent zugegangen sein. Ferdinand Steinbeis hat diese Auseinandersetzungen als Schulbub erlebt.

Die Entfremdung von Teilen des Volkes zur weltlichen und geistlichen Obrigkeit war nicht mehr zu überbrücken. Hinzu kamen die bitteren Jahre der Missernten und der damit verbundenen Hungersnot von 1809 bis 1816, die dazu führte, dass an manchen Orten die Menschen sogar das Saatgut verzehrt haben. Auch Pfarrer Steinbeis klagt einmal über den Mangel am Alltäglichen. „Das Gefühl der Unvermögenheit, die Seinigen selbst zu versorgen, ist peinlich."

Die wirtschaftliche Not, der Kriegsdienst und der Zwang in Glaubensangelegenheiten waren dann die Ursachen, dass Württemberger die Heimat verlassen haben und auswanderten. Den Auswanderern nach Russland versprach Zar Alexander L, die Angelegenheiten des Glaubens ohne Einmischung des Staates gestalten zu dürfen. Er sagte ihnen unbewirtschaftetes Land und weitgehende Freiheit von Abgaben sowie die Befreiung der jungen Männer vom Wehrdienst zu. Auch Ilsfelder Familien folgten dem Ruf des Zaren, um den Nöten und der Einengung des Lebens in der alten Heimat zu entkommen. Da die Schule unter der Aufsicht der Kirche stand, sollte mit der Auswanderung der Einfluss der Kirche und des Pfarrers auf die Erziehung der Kinder ein Ende nehmen. In dem Kapitel „Kirche und König" ab Seite 62 sind die Auseinandersetzungen in diesen Jahren beschrieben.

Der Pfarrer

Johann Jakob Steinbeis wurde von seinem Vorgesetzten sehr positiv beurteilt. Bei der Kirchenvisitation am 18. Juli 1813 stellte der Dekan dem Pfarrer ein ausgezeichnetes Zeugnis aus: „Der Pfarrer ist ein talentvoller Mann, der vielseitige Bildung, Bekanntschaft mit lebendigen Sprachen, philosophische und theologische Kenntnisse, Gewandtheit in praktischen Geschäften, tätigen Eifer für die Sache der Schule, Bescheidenheit und Humanität besitzt. " Seine Predigten hat Pfarrer Steinbeis gewissenhaft vorbereitet und wahrscheinlich auswendig vorgetragen. Er liebte es, in die Predigt einen selbstgereimten Vers einfließen zu lassen, besonders am Schluss der Predigt. Am Sonntag Jubilate, dem 3. Sonntag nach Ostern im Jahr 1812, predigte er über das Thema „Trennungen". Mit einigen Sätzen holte er die Zuhörer bei ihren persönlichen Erfahrungen ab: „Trennungen von denen, die wir lieben und an denen unser ganzes Herz und unsere ganze Seele hängt. Von denen wir hoffen, dass sie ... die Freude unserer Tage, das Glück unseres Lebens ..." Nach der Hinführung zum Thema, gliederte er seine Predigt und leitete mit einem Vers den Hauptteil der Predigt ein:

„Auch die schmerzhaftesten Trennungen haben ihr Gutes.

I.  Worin besteht dieses Gute

II.  Was müssen wir thun, damit es uns zu Theil werde. Gott deine Hilfe ist nicht fern, wenn man sich ganz dir weihet.

Du rettest, tröstest, segnest gern, den der sich ihrer freuet.

Auf dich soll unser banges Herz auf dich nur sich verlassen

Du gibst uns Kraft im größten Schmerz und Kummer uns zu fassen.

Dass alles, was sich zuträgt, mit Folgen verbunden sein muss, durch welche die Vollkommenheit der Menschen als vernünftige und ... Glückseligkeit ... empfindende Wesen ..."

 

Pfarrer Steinbeis war in der Gemeinde nicht unumstritten. Ferdinand Steinbeis schreibt einmal, dass sich sein Vater bei der Kirchenleitung in Stuttgart gegen Anschuldigungen, die aus der Gemeinde kamen, wehren musste „weil der weltmännische Zug seines Wesens bei Ilsfelder Muckern, die in ängstlicher Kleinmütigkeit und mit geometrischer Abzirkelung der Glaubensregeln den Geist wahrer Frömmigkeit für erschöpft und jede Berührung mit Ander s denkenden für einen Umgang mit den Teufel hielten ..." Er erinnerte sich auch daran, „ dass mein Vater Not litt, wo er in Berührung mit der konventionellen Welt kam, aber er trug das mit musterhaftem Gleichmute ..." Von den Folgen einer Halsentzündung im Sommer 1828 hat sich Johann Jakob Steinbeis nicht mehr erholt. Im Dezember 1828 bestätigte ihm der Amtsarzt, dass er an Kurzatmigkeit und allgemeiner Schwäche leide und sein Amt nicht mehr ohne Unterstützung ausüben könne. Angesichts der nachlassenden Kräfte und der Aufgaben in der großen Gemeinde mit 2 300 Gliedern wandte sich der Pfarrer am 15. Dezember 1828 an die Kirchenleitung mit der Bitte, zu seiner Unterstützung einen Vikar nach Ilsfeld abzuordnen. Er schrieb:

„M(agister) Johann Jakob Steinbeis, seit 17 Jahren Pfarrer daselbst, vorher 4 Jahre in Niederhofen und 8 Jahre in Ölbronn, 66 Jahre alt, bittet alluntertänigst, dass ihm wegen Abnahme seiner Kräfte bei einer Parochie von beinahe 2 300 ... ein Vicarius beigeordnet ... und als einem Vater von 6 Kindern, von welchen noch 4 unversorget sind ... ein Beitrag zur Haltung des Vicars zubestanden werden möge ..."
Die Kirchenleitung hat den Antrag positiv beschieden und Pfarrverweser Hutzel nach Ilsfeld abgeordnet.

Pfarrer Johann Jakob Steinbeis ist am 22. Februar 1829 nachts nach 11 Uhr im Alter von 66 Jahren l Monat und 18 Tagen gestorben. Als Todesursache ist „Rückenmarkslähmung" im Sterberegister eingetragen. Er wurde am 25. Februar, nachmittags nach 3 Uhr, in Iisfeld zur letzten Ruhe gebettet.

Die Pfarrfrau - Wilhelmine Steinbeis

Wilhelmine Steinbeis, die beim Tod ihres Mannes 47 Jahre alt war, zog mit ihren Kindern zu ihrer ältesten Tochter Wilhelmine Binder, Ehefrau des Pfarrers Ernst August Binder, nach Beilstein. Später lebte sie im Haus ihrer Tochter Marie und des Schwiegersohns, Rektor Theodor Friedrich Köstlin, in Nürtingen. Gestorben ist Wilhelmine Steinbeis am 3. Mai 1864 im Alter von 82 Jahren in der Olgastrasse in Stuttgart an „Altersbeschwerden". Dort hatte sie ihre älteste Tochter, die selbst auch als Witwe lebte, im Haus des Sohnes Ferdinand gepflegt. Wilhelmine Steinbeis wurde am 6. Mai 1864 um 9 Uhr auf dem Fangelsbachfriedhof in Stuttgart bestattet.

Die Jugendzeit von Ferdinand Steinbeis

Ferdinand Steinbeis war 4 Jahre alt, als er 1811 mit seinen Eltern nach Ilsfeld kam. Er bezeichnete sich selbst als einen schwachen und trägen Jungen. Im Lernen machte er in den Sprachen geringe Fortschritte, der Vater gab ihm deshalb Nachhilfe. Von der Mutter erhielt er eine erste Anleitung im Zeichnen. Ferdinand Steinbeis war in Geometrie gut, fleißig in der Handarbeit und konnte Konstruktionen leicht begreifen. Steinbeis erinnert sich an einige besonders befähigte Volkschullehrer, bei denen ei eine besondere Vorliebe für Elemente der Mathematik und der Naturwissenschaften entwickelte. Er erwähnt den Feldmesser Stoxrath, mit dem er wohl oft auf den Ilsfelder Fluren unterwegs war. Bei diesem sah er den praktischen Nutzen der Mathematik und Geometrie und erhielt Privatunterricht in diesen Fächern. Besonders liebte er es, wenn er sich in den Werkstätten der Handwerker aufhalten und bei deren praktischen Tätigkeit dabei sein konnte. Diese Vorliebe des Knaben hat dem Vater Kummer bereitet, denn Pfarrer Steinbeis wollte, dass Ferdinand die Laufbahn zum Pfarrberuf einschlägt, weil diese Ausbildung eher den finanziellen Möglichkeiten eines Dorfpfarrers mit 6 Kindern entsprach. Ein alter Drechselmeister soll gesagt haben: „Schade, dass er studieren muss, das wäre ein Drechsler geworden."

An die Auseinandersetzungen im Elternhaus erinnerte sich Ferdinand Steinbeis zurück: „Die alten Sprachen wollten mir nicht munden, lieber trieb ich mich in den Werkstätten der Handwerker herum, was mir eine Reihe von Züchtigungen zuzog, bis mein Vater endlich auf seinen Plan, mich mit der Hilfe der Lehrer des Dorfes zum Studium der Theologie vorzubereiten, verzichtete und mir Unterricht in den Realien erteilen ließ." Eines Tages brachte Ferdinand dem Vater einen selbstgeschreinerten Schreibpult mit - offenbar war der Vater davon dermaßen beeindruckt, dass er langsam seinen Widerstand gegen die praktische Neigung des Sohnes aufgab. Der Aufenthalt in den Werkstätten hat dem schwächlichen Jungen gut getan, denn Steinbeis schrieb später, dass er durch Handarbeit gekräftigt worden sei. Auch an besondere Erlebnisse erinnerte sich Ferdinand Steinbeis im Alter noch zurück: „Erster Rausch 1812, in Folge dessen 10-jähriger Ekel vor allem Wein, wenn er nicht sauer war - Eduard Ludwig mit eigener Gefahr vom Ertrinken gerettet." Von Ilsfeld hat er Reisen nach Vaihingen an der Enz, in die Heimat des Vaters, unternommen. Dort besuchte er den Zuckerbäcker Seeger, von dessen Arbeit er so angetan war, dass er ihm nach seiner Rückkehr ein Gedicht schickte:

Des Nächsten Leben zu versüßen
Sei zweifach Deine Pflicht!
Das müßtest Du auch doppelt büßen,
Erfüllst du diese nicht.

So hüte Dich denn zu versalzen,
Was man verzuckern muss,
Und gib der Welt nicht ungeschmalzen
Hin der Postaten Guß!

So füll' zum freudigen Entzücken
Die Mägen Deiner Stadt,
Dann wird sie Dir den Beutel spicken
Und wählt Dich in den Rat!

Dem Bruder der Mutter, Karl Kerner, hat es Ferdinand Steinbeis letztlich zu verdanken, dass der Vater einer praktischen Ausbildung zustimmte. General Karl Kerner gehörte zu den wenigen Überlebenden des Feldzugs nach Russland, bei dem die württembergischen Truppen vernichtend geschlagen wurden. Da er verwundet zurückkam, erhielt er eine Aufgabe im Land: er wurde zum Staatsrat ernannt und übernahm die Leitung der Staatlichen Berg-, Hütten- und Eisenwerke. In dieser Funktion konnte Karl Kerner den Neffen in seiner beruflichen Neigung unterstützen. Durch die Fürsprache und finanzielle Unterstützung des Onkels konnte Ferdinand Steinbeis eine Lehre im Hüttenwesen antreten.

Bevor Ferdinand Steinbeis zur Ausbildung das Elternhaus und Ilsfeld verließ, wurde er am 2. Mai 1821 in der Bartholomäuskirche zusammen mit 19 Knaben und 20 Mädchen konfirmiert. Sein Vater hat im Konfirmandenregister die Knaben dem Geburtsdatum entsprechend aufgeführt. Ferdinand ist als fünfter Knabe genannt, vor ihm sind die Namen Johann Jakob Widmann, Johann Jakob Schaefer, Johann Georg Leidig und Johann Friedrich Hehl eingetragen.

Ferdinand Steinbeis - der Lehrjunge

Ferdinand verließ nun den Ort Ilsfeld, in dem er seine Jugendzeit verbracht hatte, um als Lehrling praktische Kenntnisse im Bergbau- und Hüttenbetrieb sowie im Maschinenbau zu erwerben. In den 1890 - drei Jahre vor seinem Tod - festgehaltenen Lebenserinnerungen hat Ferdinand Steinbeis seinen zweiten Lebensabschnitt mit den Ortsnamen Wasseralfingen und Abtsgmünd überschrieben:

„1822. Nach der Confirmation vom Vater durch die Munificenz (Freigiebigkeit) des den höchsten Militär u. Civildienst-Garden ungehörigen mütterlichen 0-heim, Freiherr Carl von Kerner (Bruder von Justinus) Bergschüler in Wasseralfingen und Abtsgmünd ... Als Schlafkamerad von einem allein zu Hause befindlichen jungen Fräulein erbeten - Bewahrung der Unschuld ... Kirchgänge mit Protestanten und Katholiken ..."

Im Pfarrhaus von Iisfeld sorgten sich derweil die Eltern um den jungen Ferdinand, der in Ostwürttemberg eine Ausbildung erhielt. Davon zeugen die Briefe, die der Vater und die Mutter an den Sohn richteten. Am 10. Februar 1822 schrieb die Mutter:

Wie sehr es mich verlangt, von Dir zu erfahren, wie Du Dir in deiner neuen Lage gefällst, kann ich nicht beschreiben. Dein l.( lieber) Vater musste mir nach seiner Zurückkunft viel von Dir erzählen, es war mir, als kämst Du auch wieder mit, und als dies nicht geschah, fing ich erst an Dich ... zu vermissen ... Wie hast Du wohl auf Deine Sachen geachtet? Ich wünsche, dass Du Dein Weißzeug ordentlich in Deinem Koffer einräumst ... Wandle vor Gott und sey fromm, dieses bittet für Dich täglich Deine treue Mutter W. Stbs."

Einige deutliche Mahnungen enthält ein Brief des Vaters vom 30. Juli 1823:

„Mit Deinem letzten Brief hast Du, mein lieber Sohn, Deine gute Mutter tief betrübt. Du hättest doch noch von Deinem Besuch bei uns hier wissen können, und dich daran erinnern sollen, wie unerträglich es ihr ist, dich als einen Abentheurer zu denken, der auf gut Glück in die Welt hineinzulaufen fähig wäre ...So hast Du Pflichten der Dankbarkeit sowohl gegen Deinen O. (Onkel Karl Kerner), der bisher etwas zuverlässiges nicht unbedeutendes für dich gethan hat ... Über dies bekommt es dem Menschen, der für die Verhältnisse des menschlichen Lebens brauchbar werden will, gewiß nicht übel, wenn er die Schule auch einer ihm sehr fühlbaren Abhängigkeit durchzumachen hat ... Du machst, von Deiner Empfindlichkeit irregeleitet, überhaupt den Fehler, dass du An- und Zurechtweisung, welche man aus wohlwollender Fürsorge für Dich giebt, als ,Verweise' hinnimmst ... Biete alles auf, um ihr (der Mutter) die Besorgnisse ... wieder zu nehmen ... Der M.(Mutter) Sorgfalt nimm in Dankbarkeit an, und bringe ihre Anweisung, die sie Dir giebt, in möglichste Anwendung ... Lebe wohl, halte Dich brav. Es grüßt Dich im Namen aller Dein tr.(treuer) Vater Stbs."

Erhebliche Sorgen um den Werdegang des 17-jährigen Sohnes kommen in einem Brief zum Ausdruck, den der Vater ein Jahr später, am 12. Juli 1824, schrieb, nachdem Onkel Karl Kerner sich beunruhigt nach Ferdinand erkundigt hatte: „... ich ... von Deinem täglichen Thun und Treiben nichts weiss ... Du könntest ja ... etwas merklich anderes geworden sein, als Du vor zwei Jahren wärest ... dich sogar in Ansehen der moralischen Gesinnung geändert haben ... Hat dir Gott Gaben gegeben, in wissenschaftlicher Hinsicht vorzügliches zu leisten, so hat er (der Onkel) das vollkommene Recht, von dir zu verlangen, dass Du den Wechsel. welchen er auf Dich ausstellt‚ ‚in guter Währung' bezahlest ..."

Gelegentlich griff Ferdinand Steinbeis zur Feder, um einige Zeilen zu dichten. Im Oktober 1824 ließ er seine Erlebniswelt in einem Gedicht an seine Schwester Gustele einfließen:

Wie stand es um den Schmuck der holden Frauen,

Fehlt ihnen Gold und Edelstein?

Oft kann, was ihre Hände künstlich bauen

Nur durch Metall so schön gedeihn.

Der Bergmann schließt verborgene

Klüfte mächtig auf,

Der Bergmann prüft der Gänge wundervollen Lauf,

Und hat er schön gediegen Erz gefunden

Ertönt ein fröhliches:

Glück auf!

(Seinem Gedicht fügte er die Skizze eines Bergmanns bei.)

An Aufregungen darüber, ob Ferdinand die Mühe und den materiellen Aufwand, die der Onkel auf sich nahm -der ihm die technische Laufbahn ermöglichte - durch Verhalten und Leistungen rechtfertigen würde, hat es nicht gefehlt. Ferdinand hatte ein „verteufeltes Maul“ und schwatze mehr, als er sich selbst bewusst war. Einmal hielt es die Mutter vonnöten, sich persönlich in Wasser-alfingen um den Sohn zu kümmern. Auch der Onkel war bei der Aussprache dabei. Ferdinand wurde dann von Wasseralfingen abgezogen und im Hüttenwerk Abtsgmünd eingesetzt. „Von der Mutter erlöst“, schrieb Ferdinand Steinbeis im Rückblick auf seine Versetzung.

Einige Jahre später hatte die Mutter die traurige Pflicht, ihrem Sohn vom Tod des Vaters zu schreiben. Der Brief, den die Mutter am Montag, 23. Februar 1829, einen Tag nach dem Tod des Vaters, schrieb, beinhaltet nun Vertrauen zum Sohn. Die Nachricht erreichte Ferdinand  Steinbeis in Ludwigstal bei Tuttlingen, wo er 1827-31 als „Hüttenschreiber“ der „Königlich Württembergischen Hütte“ tätig war.

„Lieber Sohn!
Gestern Nacht zwischen 11 u. 12 Uhr kam der, von uns schon so lange gefürchtete Augenblick, wo Dein guter Vater starb. Sein Tod war so belehrend für uns wie sein Leben ...O lieber Ferdinand Gott stärke Dich bei dieser Nachricht - auch ich glaubte darauf gefasst zu sein, um nicht von meinem Schmerz überwältigt zu werden, aber-ich finde diese Trennung fürchterlich! - und Du kannst nicht wie wir, Dich an dem ... verklärt aussehenden Leichnam stärken, aus dem es deutlich spricht, ‚mir ist wohl‘ ach Ferdinand mir wird auf dieser Welt nach diesem Schmerz kein Leid mehr groß vorkommen wenn nur meine Kinder im Geist ihres verklärten Vaters leben — Denn nur von der Seite würde mein Schmerz größer sein, wenn eines von Euch vom Weg der Tugend ... Du lieber Sohn — bist Deines Vaters Ebenbild im äußern, -u. hast viele von seinen geistigen Anlagen - auf Dich setze ich meine Hoffnung - lass mich nicht zu Schanden werden - Schreibe mir bald, Deine Briefe trösten mich - auf dass Du Deinen Vater hättest beym leiten Gang bekleiden können! -
Deine trauernde Mutter W. Stbs."

Die engen und vertrauensvollen Beziehungen der Mutter zum Sohn hielten an, sie äußern sich in einem kurzen Schreiben vom 8. Dezember 1855. Ferdinand Steinbeis war 48 Jahre alt, als ihm seine Mutter zum beruflichen Erfolg und persönlichen Wertschätzung des Königs gratulierte und ihn dennoch zu Demut und Bescheidenheit anhielt.
Lieber Sohn!
Du wirst aus Veranlassung der hohen Ehre welche Dir vom König zu Theil wurde viele Glückwünsche erhalten haben, aber gewiss keinen der aus so bewegtem Herzen kommt wie derjenige Deiner Mutter welchen Du hiermit freundlich annehmen mögest; auch freundlich mir bleibst wenn ich Vertrauen auf Dich ausspreche: ,Dass je höher Du gestellt wirst, desto mehr Du Dich demüthigen werdest.' Gott erhalte Dich und die Deinen gesund

Mit inniger Liebe Deine treue Mutter W. Steinbeis

Ferdinand Steinbeis - weitere Berührungen mit Ilsfeld

Die Hochzeit

Im Jahr 1833 trat Ferdinand Steinbeis mit seiner Braut in Ilsfeld vor den Traualtar. Eine interessante Geschichte hatte das Brautpaar zur Trauung in die Heimat von Ferdinand Steinbeis geführt.

Als 18-jähriger Student war Ferdinand Steinbeis 1825 bei einer Exkursion nach Schönmünzach bei Freudenstadt im Schwarzwald gekommen. Dort lernte er Gottfried Adam Klumpp kennen, der eine Glashütte verantwortlich leitete. Gleichzeitig war Gottfried Adam Klumpp Sonnenwirt im Dorf Schwarzenberg. Dieser schätzte die Diskussion und die Ratschläge von Ferdinand Steinbeis, der in der Zwischenzeit in Tübingen Naturwissenschaften studierte. In den nächsten Jahren kehrte der junge Steinbeis regelmäßig im Haus von Gottfried Adam Klumpp ein, der sieben Töchter hatte. Friederike, die älteste Tochter des Hauses, hat er dann ins Herz geschlossen. Seine Zuneigung zur Tochter eines Wirtes fand nicht die ungeteilte Zustimmung des Onkels, der wohl gehofft hatte, sein Zögling Ferdinand würde standesgemäß heiraten. Am 2. Oktober 1832 verlobte sich Ferdinand Steinbeis in der „Sonne" in Schwarzenberg mit der 18-jährigen (geb. am 30. November 1814) Friederike Klumpp.

Die Hochzeit fand dann nicht, wie vorgesehen, am 6. August 1833 im Schwarzwald statt, weil der Pfarrer von Schwarzenberg, der selbst ein Auge auf Friederike geworfen hatte, Einwände erhoben hatte. Ferdinand Steinbeis schrieb am 21. Juli 1833 an das „Fräulein Braut“:
„Dein Herr Pfarrer ist eben doch ein Esel, wie kann denn ein Mensch so einfältig seyn und solche Einwürfe machen! - Er blamiert sich ja nur damit. - Er hat sich gar nicht um mich zu kümmern, das ist Sache des Ilsfelder Pfarramtes. - bey ihm handelt es sich nur darum, ob wegen Dir keine Schwierigkeiten obwalten und da ist er ja nur zu sehr darüber orientiert! — Wenn er seyther vom Pfarramt Ilsfeld Nachricht erhalten, dem ungeachtet aber mit dem Ausrufen (Abkündigung der Hochzeit) nicht begonnen hat, so schikke ich ihm den mitfolgenden Brief."

Ferdinand Steinbeis und Friederike Klumpp haben dann am 13. August 1833 in der Bartholomäuskirche in Ilsfeld, die dem Bräutigam von seiner Jugendzeit vertraut war, geheiratet. Die Lebensbiographien über Steinbeis schreiben übereinstimmend, dass Pfarrer Binder aus Beilstein, der Schwager von Steinbeis, das Brautpaar getraut habe. Im Eheregister des Pfarramtes Ilsfeld ist Pfarrer Liesching, der Nachfolger von Pfarrer Steinbeis, eingetragen. Als Beruf von Steinbeis ist „Hüttenwerksverwalter zu Bachzimmern" vermerkt, eingetragen sind die Heiratserlaubnis des Schultheißenamt vom 1. August 1833, die Proklamation (Abkündigung) in den Kirchen Iisfeld und Schwarzenberg am 10. Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest und die Erlaubnis des Oberamtsgerichtes Freudenstadt, die Trauung ohne die übliche zweite und dritte Proklamation durchzuführen, die damals - vergleichbar mit dem heutigen Aufgebot - vorgeschrieben war.

Die berufliche Laufbahn führte Ferdinand Steinbeis unaufhaltsam nach oben. Friederike Steinbeis gestand einmal, dass es keine leichte Aufgabe sei, mitunter sogar ein Martyrium, die Frau eines Tatmenschen von frühgewecktem ehrgeizigem Unternehmensgeiste zu sein. Trotzdem hat Steinbeis die jährlich nach Ilsfeld zu bezahlende Abgabe nicht vergessen, die ihm das Bürgerrecht in der Heimatgemeinde sicherte.

Das Lutherbild in der Sakristei der Bartholomäuskirche

Im Jahr 1888, Ferdinand von Steinbeis lebte nun im Ruhestand bei seiner Tochter in Leipzig, machte er Pfarrer Ferdinand Frauer in Ilsfeld den Vorschlag, ein Ölbild des Reformators Martin Luther für die Sakristei der Kirche anfertigen zu lassen. Dieses Vorhaben war ihm „zu Vaters Andenken anstatt des versäumten Grabsteins" ein Anliegen. In seinem Schreiben nach Ilsfeld fragte er auch nach einem Stuhl des Ilsfelder Reformators und Lutherschülers Johann Geyling, der in Steinbeis Jugendzeit in der Sakristei stand. Am 30. August 1888 antwortete Pfarrer Frauer:

„Eure Exzellenz!
Vor allem muss ich Eure Exzellenz um gütige Entschuldigung bitten wegen der langen Verzögerung der Antwort ... edelsinniges Anbieten ... Wegen der so lange sich hinziehenden Erntearbeiten und dem wegen des in der Bartholomäuswoche üblichen Holzmarkt-und Kirchweih-Trubels ist es erst jetzt möglich geworden, den Pfarrgemeinderat... zusammenzubringen. Mit ehrerbietiger Dankbarkeit hat der Pfarrgemeinderat von Eurer Exzellenz gütigem Vorhaben, zum Gedächtnis Ihres Herrn Vaters ein Lutherbild in die Sakristei der hiesigen Kirche zu stiften ... Kenntnis genommen ... es gereicht mir zum Vergnügen, Eure Exzellenz von der danksagenden Zustimmung dieses Kollegiums Kunde geben zu dürfen ... Leider weiß über den Gayling'schen Stuhl (niemand) Bescheid zu geben ... Man nimmt an, dass nach der Restauration (wahrscheinlich 1869/70) alles abgängige Material verkauft worden sei ... Dem ehrerbietigen Dank für Eurer Exzellenz hocherfreuliche Zuschrift, die von Hochderselben wehrhaft jugendlichem Geistfrische bewundernswertes Zeugnis gibt ... In ehrerbietiger Ergebenheit Eur. Exzellenz ... F. Frauer, Pf."

Das von Steinbeis gestiftete Ölbild stellt Martin Luther nach einer Vorlage von Lukas Cranach dar. Weil beim Großen Brand 1904 der untere Teil der Sakristei der Bartholomäuskirche nicht abgebrannt ist, blieb es erhalten. ...

Dr. Ferdinand von Steinbeis - Wegbereiter der Wirtschaft

Nach seiner Ausbildung in Wasseralfingen und Abtsgmünd (1821-1824) studierte Steinbeis an der Universität Tübingen Maschinenbau. Um zum Studium zugelassen zu werden, musste er zunächst die Hochschulreife erwerben. Im Jahr 1827 erhielt er für eine preisgekrönte Arbeit im Umfang von 175 eng beschriebenen Seiten über Glasmacherei im Alter von 20 Jahren den Doktorhut. Im gleichen Jahr übernahm er dann seine erste Stelle als „Hüttenschreiber" in der Königlich-Württembergischen Hütte Ludwigstal bei Tuttlingen. Fürst Karl Egon von Fürstenberg berief dann 1831 den 24-jährigen als „Oberhüttenverwalter" nach Bachzimmern bei Donaueschingen. Steinbeis wurde mit der Gründung von Fabriken in anderen Industriezweigen beauftragt, die Zahl der Mitarbeiter stieg von 38 auf 500. In der Zeit seiner Tätigkeit in Bachzimmern begann er erstmals damit, den Mitarbeitern Unterricht zu geben. 1842 übernahm Steinbeis die Stelle des Generaldirektors der Neukirchener Eisenwerke im Saarland. Mit behutsamen Schritten führte er eine soziale Fürsorge ein. 1848 wurde in Stuttgart die „Zentralstelle für Gewerbe und Handel" gegründet. König Wilhelm I. bot Steinbeis die Stelle des Technischen Referenten an. Steinbeis nahm die Stelle an, kehrte mit seiner Familie nach Württemberg zurück und kaufte in Stuttgart unterhalb der Neuen Weinsteige ein Haus mit großem Garten. In seiner neuen Funktion erhielt er den Titel „Königlich Württembergischer Regierungsrat" und wurde zur führenden Persönlichkeit der Zentralstelle. Im Jahr 1855, nach dem Tod des ersten Leiters der Zentralstelle, wurde er Direktor und später Präsident der Zentralstelle. Für diese Tätigkeit erhielt er den persönlichen Adel.

Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im damaligen Württemberg beschrieb ein schwäbischer Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung 1849:

„Die Norddeutschen ... kennen unser Land nicht. Sie sehen nur die von schönen Reben bekränzten Berge und die anmutigen Täler, aber sie wissen nicht, dass um diese Berge und in diesen Tälern ein verarmtes Volk wohnt, für das der Boden nicht mehr ausreicht ... Sie wissen nicht, dass in diesen Tälern viel Tausend arbeitslose und fleißige Hände sind, die nichts weiter verlangen, als dass sie wenigstens an den Hemden und Kleider, die sie auf dem Leibe tragen, den Lohn der Arbeit selbst verdienen ... wir wollen ... damit unserem Volke neue Erwerbszweige geschaffen werden."

Ferdinand von Steinbeis oblag es, durch die Förderung und Unterstützung der Gewerbebetriebe, Württemberg vom verarmten Agrarstaat innerhalb weniger Jahrzehnte zu einem Industrieland zu entwickeln, ohne dass die staatlichen Hilfen für die Unternehmer - wie Steinbeis es formulierte - zum „Faulbette" werden durfte. „Generaldirektor der Firma Württemberg" hat man ihn bezeichnet. Während zuvor die Württemberger auswanderten, weil sie in der Heimat kein Auskommen hatten, konnten bald im Land hergestellte Waren ausgeführt werden und die Menschen in der Heimat bleiben. Das System der Förderung ist an anderer Stelle ausführlich beschrieben. Württemberg hat es Ferdinand Steinbeis zu verdanken, der es „aus einem notleidenden Ackerbauland vorausschauend und planmäßig in einen blühenden Industriestaat mit unerreichtem innerem Ausgleich verwandelt (hat)".

Besondere Bedeutung widmete er dem Bereich der Ausbildung und Erziehung der jungen Generation, denn - so Steinbeis - „Bildung ist Brot". Er leitete die Weiterentwicklung bereits bestehender Handwerkerschulen, damals Sonntagsschulen genannt, ein und förderte gleichzeitig die Gründung neuer Gewerbeschulen. Auch Schulen zur beruflichen Bildung von Mädchen gehen auf seine Initiative zurück.

Im Jahr 1878 kam es zum politischen Streit über die Einführung von Schutzzöllen, die Steinbeis - ein Verfechter des Freihandels - ablehnte. Die Auseinandersetzungen empfand Steinbeis als „Hexenjagd" auf seine Person. Verbittert reichte er 1880 sein Pensionsgesuch ein und zog nach Leipzig zu seiner Tochter.

Otto Frommel, ein Enkel von Steinbeis, Kirchenrat und Theologieprofessor, hat über seinen Großvater, den er von gemeinsamen Reisen gut kannte, geschrieben:

„Etwas vom geborenen Herrscher lag in ihm. So fein und liebenswürdig er in Gesellschaft sein konnte -die Grundzüge seines Wesens traten dort am deutlichsten hervor, wo er zu befehlen, zu organisieren, zu erziehen hatte ... Obwohl er weit herumgekommen und den meisten seiner Landsleute überlegen durch weltmännische Bildung und sicheres Auftreten, verleugnete er den Schwaben in keinem Zug. Schwäbisch war und blieb nicht nur seine Aussprache, auch gefühlt und gedacht hat er allezeit schwäbisch, trotz des Kosmopolitischen in seiner Weltauffassung. Die sittliche Kraft des altschwäbischen Luthertums der Bengel, Andreä und Oetinger lebte in der Form eines unbeugsamen Rechts- und Pflichtgefühls in ihm ..."

Seine Lebensauffassung brachte Ferdinand von Steinbeis im Ruhestand in Anspielung auf den Schöpfungsauftrag in l. Mose l ,28 auf den kurzen Nenner: „Erstes und positivstes Programm der Menschheit - Seid Erzeuger und mehret euch. "

Ferdinand von Steinbeis ist am 7. Februar 1893 im Alter von 86 Jahren in Leipzig gestorben. Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Alten Friedhof in Ulm. Dort war seine am 9. Oktober 1876 gestorbene Gattin Friederike geb. Klumpp bestattet worden. Auf dem Grabstein sind die Ehrungen, die er erhielt und die Aufgaben, die Ferdinand von Steinbeis inne hatte, eingemeißelt. Der Aufzählung vorangestellt ist „Bürger zu Ilsfeld".

Der Verfasser dankt Herrn Hans Dieter Metzger, Stuttgart, einem Nachkommen von Ferdinand von Stein-beis, herzlich für zahlreiche Informationen sowie Materialien und Aufnahmen.

Walter Conrad

Literatur und Quellen:
Conrad, Otto: Handschriftliche Aufzeichnungen
Landesgewerbeamt Baden-Württemberg: Sondernummer der Mitteilungen des Landesgewerbeamtes (Nr. 12) anlässlich der Feierstunde zum 150. Geburtstag von Ferdinand von Steinbeis, Stuttgart 1957 Ansprachen und Vorträge anlässlich des 100. Todestages von Ferdinand von Steinbeis, Stuttgart 1993 Raitelhuber, Pfarrer in Stuttgart: Geschichte der Familie Steinbeis mit Ahnenlisten, o.Jg., Vaihingen a d. Enz
Rehm, Max: Ferdinand Steinbeis, 1907-1893, Schwabens Gewerbeförderer und Volkserzieher, Nürtingen 1977
Sieberts, P: Ferdinand von Steinbeis - Ein Wegbereiter der Wirtschaft, Stuttgart 1952
Steinbeis, Hermann: Festrede zum Betriebsfest der Steinbeis GmbH, Gemmrigheim, 1981
Steinbeis-Stiftung: Ferdinand Steinbeis, 3. Auflage, Stuttgart/Berlin 2005 Surkamp, Ernst: Nachkommen des Ehepaars Johann Jakob Steinbeis und Wilhelmine Kerner. Stuttgart 1938