In der Bibel werden uns viele Gleichnisse Jesu erzählt, in denen es ums Suchen und Finden geht. Da ist einer beim Pflügen auf dem Acker und stößt plötzlich auf einen Widerstand. Er schaut nach und entdeckt einen Schatz. Dieser Schatz im Acker ist ihm so wichtig, dass er alles daran setzt ihn zu besitzen. Oder da ist die Frau, die eine Münze verloren hat. Mit unendlicher Geduld sucht sie nach diesem Schatz. Und als sie ihn endlich fand, richtet sie ein Freudenfest aus. „So ist es mit dem Reich Gottes“, meint Jesus zu diesen Gleichnissen. Manchmal stößt man zufällig darauf; manchmal muss man ganz bewusst und mit viel Geduld suchen. Wenn es um Gott und den Glauben geht, spielen also Zufall (etwas, was mir zufällt) und konzentriertes Suchen eine Rolle.
Noch vor der Coronazeit, beschäftigte ich mich intensiv mit dem Thema Krisen. Wir boten dazu einen Kurs an. An vier Abenden und Vormittagen begleitete uns der von Krisen gebeutelte Prophet Elia.
Und fiel zuerst auf, wie offen die Bibel über die Krisen von Menschen schreibt. Es gibt keine Idealisierungen. Alle biblischen Gestalten werden ehrlich beschrieben – eben mit ihren Schatten- und Krisenzeiten.
Die zweite wichtige Entdeckung war etwas ganz Selbstverständliches: Es gibt kein Leben ohne Krisen, denn Krisen sind wie Motoren, der uns reifen und wachsen lassen. Das kennen wir alle. Vor jeder menschlichen Entwicklungsphase steht eine Krise. Ohne die Trotzphase wird ein Kind sich als Person nicht wahrnehmen. Ohne Pubertät reift keine Jugendlicher zum jungen Erwachsenen. Alle wichtigen neue Lebensabschnitte beginnen mit einer Verunsicherung, einer Krise. Das lässt sich auch in der Natur beobachten: Gerade Krisenzeiten stabilisieren die Stabilität eines Halmes oder Baumes.
Mit diesen Entdeckungen gelingt es uns, zuerst Krisen zu entlarven. Sie sind nicht nur negativ, sie enthalten durchaus positives Potential. Klar – Krisen sind immer unangenehm. Keine und keiner sehnt sich danach. Aber Krisen gehören eben dazu.
Die dritte wichtige Entdeckung ist, dass in jeder Krise ein Schatz steckt. Aus jeder Krise, ist sie dann überstanden, können wir gestärkt, gereift und erfahrungsreicher etwas für den weiteren Lebensweg mitnehmen. Und manchmal zwingen uns Krisen, neu nachzudenken, den bisherigen Lebensstil zu überdenken und ganz neue Prioritäten zu setzen.
Niemand von uns begrüßt die Corona-Krise. Niemand freut sich daran, dass das öffentliche – und dass auch das kirchliche – weitgehend lahm gelegt wird. Aber wir ahnen jetzt schon, dass das Leben nach Corona ein anderes sein wird. Dass wir aus dieser Krise viele lernen können.
Sehr spannend find ich die These, dass auch in dieser schweren Krise ein Schatz zu entdecken ist. Ich bin davon überzeugt. Wir haben auf einmal viel Zeit zum Nachdenken und Neu-Denken. Wir können neu entdecken, was wirklich wichtig im Leben ist und auf was man alles verzichten kann. Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt erhält einen starken Schub – wir kümmern uns um einander. Es gibt Beobachter, die behaupten, dass der Egoismus weniger wird. Man sieht die Not den Nächsten. Ein Schatz ist auch die zusätzliche Zeit, die vielen von uns geschenkt wird. Man hat Zeit zum Lesen, zum Briefe schreiben, sich in aller Ruhe um den Garten kümmern, mit Menschen telefonieren und chatten und vieles mehr, was im Alltagsstress oft zu kurz kommt. Selbst die Arbeitsmentalität und Arbeitskultur kann sich nachhaltig verändern. Home-Office ist auf einmal salonfähig. Und nicht zuletzt freut sich die Umwelt – der CO2-Ausstoß ist sehr reduziert.
Bestimmt fallen Ihnen beim Lesen noch viele andere Schätze ein, die man in dieser Krise entdecken und heben kann. Und – das wäre natürlich mein großer Wunsch – ein sehr schöner und wichtiger Schatz könnte neu entdeckt werden: Das Beten, die Verbundenheit mit Gott, mein Glauben. So wie der Landwirt im Gleichnis Jesu, der zufällig auf diesen Schatz stößt und ihn um alles in der Welt behalten möchte.
Hans Veit