Zur Grundsteinlegung der Waldenserkirche am 7. Juli 1872

Zur Einweihung der Waldenserkirche Kleinvillars

„Da steht nun das freundlich würdige Kirchlein im heiteren Sonnenschein auf einer weithin sichtbaren Höhe und grüßt nach Süden herab die, auf der nahen von Stuttgart nach Bruchsal führenden Eisenbahn, Vorüberfahrenden.“
So beschrieb Oberhofprediger a.D. und Oberkirchenrat Carl Grüneisen in einem Artikel im Jahre 1874 den Blick auf die Waldenserkirche aus Richtung Ölbronn.

Sicherlich war der helle Sandsteinbau nicht zu übersehen, denn die heutige Waldenserstraße war damals noch ein Feldweg der zu Gemüse- und Baumgärten führte. Mit Glockenturm war die Kirche etwa 20 m hoch, 16 m lang und 8 m breit geworden und bot ca. 200 Personen Platz.

Betrat man die Kirche fiel wohl auch damals schon der erste Blick auf die Chorfenster, die allerdings kürzer waren als heute. Hofglasmaler Ludwig Wilhelm aus Stuttgart hatte diese, wie auch das Fenster über der Eingangstüre, gestaltet.

Der mit großen Sandsteinplatten ausgelegte Durchgang zwischen den massiven, dunklen Kirchenbänken führte direkt zum Taufstein den wir auch heute noch haben. Dahinter dann, um eine Stufe erhöht, der steinerne Altar auf dessen Frontseite ein Kreuz herausgearbeitet war. Das Ornament das das Kreuz umschließt war ebenfalls ein Grundelement in den Chorfenstern und in weiteren Wandmalereien auf den Stirnseiten der Kirche. Schaut man auf dem Weg zur Kirche hoch zum Zifferblatt am Turm, so kann man dieselbe Struktur im Sandstein entdecken.

Da es jetzt einen Chorraum gab, wurde die ebenfalls in dunklem Holz gehaltene Kanzel an der rechten Seite angebracht. Auf der linken Seite befand sich eine einfach gehaltene Sakristei. Davor stand ein kleines Harmonium. Der Organist und Kantor musste an den pfarrerlosen Sonntagen auch Gebet, Schriftabschnitt und eine Predigt vorlesen. Eine sinnvolle Konstellation, da er bei diesen Gottesdiensten immer zwischen Harmonium und Altar hin- und herwechseln musste.
Zur Empore gelangte man über zwei Treppen die symmetrisch, links und rechts nach dem Eingang an der Außenwand montiert waren.

Sie fragen sich jetzt, warum ich das Kruzifix nicht erwähnt habe? Es gab noch keines. Ende 1873 schrieb der Pfarrgemeinderat wieder nach Stuttgart und erbat ein Kruzifix für den Altar. Der Bitte wurde stattgegeben, und Architekt Dollinger beauftragte die Kunsterzgießerei Wilhelm Pelargus mit der Gestaltung eines ca. 1,4 m hohen Kruzifixes, das 1875 auf dem Altar montiert und von Paul Suedes gestiftet wurde.

Einweihungsgottesdienst war an Lichtmess, Sonntag 2. Februar 1873. Die Kirche platzte sicherlich aus allen Nähten, als Dekan Kornbeck aus Knittlingen die Einweihung mit den beiden Sakramenten Abendmahl und Taufe zelebrierte. Pfarrer Paret hielt die Predigt und taufte als erstes Kind in der neue Kirche Marie Karoline Stolz. Gewiss mit dem Taufgeschirr von 1864/66 das aus der alten Kirche stammte und auch heute noch einsetzt wird. Die Familie Stolz wohnte übrigens im Bahnwärterhaus 64 in Ölbronn.

Die erste Hochzeit fand am 29. April 1873 statt. Die Kleinvillarser, Schulmeister Christoph Roller und Katharine Gaide, gaben sich das JA-Wort. Als Schulmeister war er gleichzeitig Mesner, Organist und Vorsänger.

Die Gründe, warum die Einweihungsfeierlichkeiten im tiefsten Winter an Lichtmess stattfanden, werden wohl immer verborgen bleiben. Neben rein praktischen Gründen war vielleicht auch ein biblisches Ereignis Festanlass: Ist es doch der Tag an dem der neugeborene Jesus in den Tempel gebracht wurde und von Simeon und der Prophetin Hanna als der eigentliche Herr des Tempels erkannt wurde. (Lukas 2, 22-40).
An Lichtmess kam früher auch nochmals die weihnachtliche Lichtsymbolik zur Geltung: Vielerorts fanden Lichterprozessionen und Kerzenweihen statt. Das Licht – Jesus Christus - holte man sich damit ins Haus, wenn zum Gebet eine Kerze angezündet wurde.
LUX LUCET IN TENEBRIS.                                                                     Walter Meffle