Predigt für den 1. Sonntag nach Trinitatis, 14.6.2020

von Herrn Pfarrer Tuschy

Liebe Gemeinde,


wir hier in Europa haben es schwer und nicht erst im
Verlauf der Corona-Krise sind wir Europäer eingezwängt
zwischen den beiden Platzhirschen Amerika und China. Wir
haben es als Europäer schwer, weil wir aus verschiedenen
Einzelstaaten bestehen, die das gemeinsame
Antriebsmoment noch nicht recht erfassen wollen.
Vielleicht sind die einzelnen nur unter dem gemeinsamen
Dach versammelt, weil sie sich alle miteinander nur Vorteile
versprechen. Das europäische Gebilde könnte
auseinanderbrechen, wenn es nicht gelingt die
Schuldenfrage zu klären. Doch bestimmte Staaten weigern
sich vehement gegen eine Vergemeinschaftung ihrer
Schulden.
Liebe Gemeinde, Vergemeinschaftung, das ist das zentrale
Stichwort der ersten Christen gewesen. Es überrascht mich
immer wieder zu lesen, dass unsere ersten Väter und
Mütter im Glauben ganz viel miteinander geteilt haben. Wie
es scheint, besaßen die einzelnen damals nicht einmal
mehr ihr Eigentum. So es denn nötig sein sollte, wurde alles
in die Gemeinschaft eingebracht. Gemeinsame Lasten
schweißen auch zusammen. Was würden wir von so einer
Art Zusammenleben in der Gemeinde halten?
Um es klar zu sagen, was hier mit der finanziellen
Gemeinschaftung beschrieben wird, war damals kein Muss,
kein Prinzip, keine ideologische Sozialstruktur wie im
Kommunismus. Es war freiwillig!
Wie geht es uns damit? Finden wir es dumm wenn keiner
aus der Gemeinde mehr einen Exklusivanspruch auf sein
Eigentum erheben würde? Oder sind wir welche, die das
gut finden, die nach dieser Urkirche Sehnsucht haben,
Heimweh nach dem biblischen Ursprung?
Manche meinen diese Urgestalt der Kirche ist ziemlich
blauäugig ausgerichtet gewesen oder anders gesagt,
eigentlich war so eine Idee bereits von Anfang zum
Scheitern verurteilt. Wie bei den europäischen
Einzelstaaten gibt es eher Gutbetuchte, Fleißige oder eben
auch – keiner wird es laut aussprechen - vermeintlich
Arbeitsscheue.
Alles Geld, allen Besitz der einzelnen Gläubigen in einen
Topf zu werfen, da kommt unser Verstand kaum noch mit
oder?
Menschliche Vernunft würde wohl sagen: Es sorge jeder für
sich, dann ist allen geholfen.
Der Heilige Geist sieht das freilich anders. Er sagt: Werfe
jeder sein Auge auf den anderen, dann erst ist für alle
gesorgt. Doch menschliche Vernunft wird sich mit so etwas
nicht zufriedengeben und meinen: „Denkt ihr denn nicht an
eure Zukunft und die eurer Kinder?“ Doch der Heilige Geist
würde auch hier entgegenhalten: Genau das tun sie, an
deren Zukunft denken, doch es ist ja nicht die menschliche
Zukunft, es ist Gottes Zukunft die da kommt. Und dieser
Zukunft Gottes gehört unser ganzes Augenmerk. Wie
Jesus bereits sagte: Trachtet zu erst nach dem Reich
Gottes... Und in diesem Rechnen mit Gottes Führen und
Versorgen müssten alle Zukunftssorgen ertrinken, bis auf
eine: Die Sorge, was mit uns ist, wenn der Herr
wiederkommt!
Es wäre ja grob verkehrt unser Zukunftsdenken auf Angst
auszurichten mit der Frage: Wie halten wir unser Geld
zusammen, was wird mit unseren Kindern? Und die Frage
sei berechtigt: Ist es etwa gescheit, so viele Stunden in
seinem Leben mit der Sicherung seines Besitzes und dem
Wohlergehen seiner Lieben beschäftigt zu sein? Ist es
gescheit, wenn jeder in seinem Haus lebt, umzäunt, ja nicht
einsehbar, wie in einer Festung, weil vor lauter Angst keiner
mehr dem anderen über den Weg traut?
Vielleicht gibt es genau wegen dieser Ängste welche unter
uns, die mit dieser Art gemeindlichem Leben der
Vergemeinschaftung liebäugeln? Warum? Weil es damals
keine Armen mehr gab, weil diejenigen, denen es schlecht
ging nämlich vom Radar der „Gemeindeaufsicht“ erfasst
wurden und man alles dafür tat, solchen in Not Geratenen
zu helfen.
Das wäre Heimweh nach jenen biblischen Tagen. Doch wie
wir wissen, sind solche Sehnsüchte nach den guten alten
Tagen mit einem Problem behaftet. Sie kommen ganz
bestimmt nicht wieder.
Sollen wir deshalb unser Heimweh nach biblischen
Vorbildern aufgeben? Außer dem Heimweh nach dem
Vergangenen gibt es nun freilich auch ein Heimweh nach
dem Kommenden.
Doch damit tut man sich als Mensch in der Regel schwer,
obwohl das Gott von uns will.
Wenn wir alle unseren Blick auf den kommenden Jesus
Christus richten, dann ergäbe sich genau jenes Fundament,
das uns alle miteinander verbindet. Vergemeinschaftung
bezieht sich ja nicht nur auf das Materielle, es hat ja zuerst
mit unserem Glauben zu tun. Es hat mit dem Glauben zu
tun, dass es da einen gibt, der uns nicht nach Leistung
bemisst, der uns mit Gnade begegnet.
Und da sind wir nun genau an dem Punkt angelangt, bei
dem es für uns alle wohl schwer ist: Beim Glauben an
Jesus gilt es auch unsere Hände zu öffnen, alles was wir
haben zumindest gedanklich einmal loszulassen, zu wissen:
das gehört im Grund ihm, auch wenn mein Name im
Grundbuch steht, ist es nicht wirklich meins. Dieser
Kontrollverlust ist ein Schock. Aber wohltuend dabei ist die
Wirklichkeit zu Gesicht bekommen, dass unser Leben ja
doch in seinen Händen ist.
Wenn also Jesus Christus alles, wirklich alles dafür getan
hat, dass wir ewiges Leben haben, wieviel mehr wird er
auch hier zu unseren Lebzeiten dafür sorgen, dass wir alles
haben, was wir brauchen. Doch die Betonung liegt auf WIR.
Es kann uns nur in der Gemeinschaft gut gehen. Und ich
denke jede und jeder von uns wird sich an Menschen
erinnern, die die Vergemeinschaftung vorgelebt haben. In
dem Sinn, dass wir gespürt haben: Da nimmt sich jemand
viel Zeit für mich, mehr als sonst üblich. Da spürt eine, dass
es mir gerade nicht gut geht und fragt nach. Da bietet
jemand seine Hilfe an, weil er gerade Kapazitäten frei hat.
Es geht hier bei diesen Versen nicht nur ums Geld, dass
man einbringen kann, wir alle haben Ressourcen, die sind
vielleicht sogar noch wertvoller als Geld und Besitz.
Wer da von dem Seinen etwas einbringt, der macht es
vielleicht genau aus dem Wissen heraus: Ich bin ein Teil in
diesem Reich Gottes, ein Teil in diesem Gewebe, dass
zusammenhängt mit jenem, der sein Leben aufs Spiel
gesetzt hat, damit es uns gut geht, damit wir in der Ewigkeit
bei ihm sind.
So dürfen wir uns sowohl fallen lassen, weil wir in ihm
geborgen sind, aber auch , mit anderen teilen weil wir
glauben, dass nicht die eigene Fürsorge, sondern Jesu
Fürsorge ans Ziel führt. Mit Faulheit hat das freilich nichts
zu tun!

Amen