Predigt für den Pfingstsonntag, 31.5.2020 von Pfr. Tuschy
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Apostelgeschichte 2, 1-13
1 Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. 2 Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. 3 Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. 4 Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. 5 In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. 6 Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. 7 Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? 8 Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören: 9 Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadokien, von Pontus und der Provinz Asien, 10 von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Kyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, 11 Juden und Proselyten, Kreter und Araber - wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden. 12 Alle gerieten außer sich und waren ratlos. Die einen sagten zueinander: Was hat das zu bedeuten? 13 Andere aber spotteten: Sie sind vom süßen Wein betrunken.
Liebe Gemeinde,
Woran denken die meisten Menschen wohl zuerst, wenn sie das Wort Pfingsten hören? Vermutlich an Pfingstferien.
Pfingsten steht zwar im Terminkalender, doch mit den uns ereilten Ereignissen und den Eingriffen in unser Privatleben sind auch die Pfingstferien nicht mehr das, was sie einmal waren.
Vieles ist anders geworden. Und das kann trotz all dem Belastendem auf der anderen Seite für uns durchaus auch heilsam werden. Vielleicht kann Pfingsten sich wieder zu dem entwickeln, was es einmal war!
Was war es einmal? Dem Ursprung nach war es ein Erntedankfest. In Israel sagte man etwas früher im Jahr Danke als un unseren Gefilden. Man sagte Danke für Früchte, Gewürze, für alles, was bis dahin gewachsen war. Und in dieses Fest hinein bläst nun Gott seinen Geist. Er bläst seinen Geist auf die jämmerlich Verzagten, die aus lauter Unsicherheit und Angst sich eher verkriechen wollen, als dass sie sich als große Heilsverkünder in die erste Reihe stellen.
Nach Lob und Dank war ihnen nicht zu Mute, war ihnen doch ihr Glaubensfundament weggebrochen: Jesus von Nazareth, der ihre Zukunft schien.
Doch dann kommt jener große Moment: Der Geist Gottes kommt über sie! Sie sind überwältigt von dieser Dynamik. Zuvor ähnelten ihre Seele eher einem dahin dümpelndes Segelboot, das freilich urplötzlich Wind in die Segel bekommt. Sie werden angetrieben von einer wohltuenden, mächtigen Kraft, Rückenwind eben.
Vorbei waren die Tage, die einfach so dahinpläscherten, vorbei die Angst, wie sich ihre Zukunft wohl gestalten würde, vorbei die Alltagsfarbe grau. Nachdem dieser Geist sie ergriffen hat, waren sie gewiss, dass das, was der Geist Gottes in ihnen auslöste konnte, alternativlos war und durch nichts überboten werden konnte.
Was ist Pfingsten für uns? Ein Fest der Symbolik? Bilder der Taube, weil man den Geist sich nicht anders vorstellen kann? Sind wir irritiert von den beschriebenen Vorstellungen und der hier verwendeten Sprache: Feuerzungen und Sprachengewirr?
So viele Jahre nach dem Ereignis ist man versucht, diesen – wie man auch zu Pfingsten sagt – Geburtstag der Kirche dann auch genau so zu begehen wie man einen Geburtstag eben begeht. Man erinnert sich an diese Geburt von damals.
Mit dieser Haltung stehen wir freilich in der Gefahr das Wesen von Pfingsten zu verkennen. Denn, es ist ja nicht vorbei mit dem Geist! Das Phänomen von damals wiederholt sich ja auch heutzutage immer wieder, weil dieser Geist ja auch heute noch weht wo und wie er will.
Das damals beschriebene Ereignis scheint mir in einen größeren Zusammenhang zu gehören: Am Anfang der Bibel wird beschrieben, wie Menschen eine groß angelegte Initiative starten, sich einen Namen zu machen: Menschen wollen über sich hinauswachsen! Sie wollen so bauen, wie man noch nie gebaut hat, ein Gebäude, das bis in den Himmel reicht! Bekannt als „Turmbau zu Babel“. Es ergriff sie damals bereits die Angst, dass nach wenigen Jahren ihres Daseins auf Erden keine Erinnerung, nichts mehr von ihnen übrigbleibt. Sie wollten durch ihr eigenes Denken und Schaffen ein Stück Ewigkeit erlangen, dass etwas von ihnen den Tod überdauern möge, deshalb: immer höher und höher!
Die Bibel erzählt dazu: Gott steht nicht auf der Seite derer, die sich aus eigenem Antrieb Ewigkeit verschaffen wollen. Gott hat etwas gegen Größenwahn und deshalb interveniert er, indem er ihre Kommunikationswege stört. Die am Bau Beteiligten verstehen sich auf einmal nicht mehr. Das Projekt scheitert!
An Pfingsten erleben wir den umgekehrten Vorgang: Gott versetzt Menschen, die sich vorher nicht verstanden haben in die Lage, dass sie sich verstehen. Gott startet sein großes Projekt, nicht dass jene sich einen Namen damit machen, sondern dass Gott verherrlicht wird durch die Gründung der Kirche. Wie wir erahnen, ist das Projekt Kirche über all die Jahre noch nicht an sein Ende gekommen. Gab es doch in all den zurückliegenden Perioden manche die genau dieser Versuchung dann doch erlegen sind, innerhalb der Kirche und mit der Kirche sich einen Namen machen zu wollen!
Wir dürfen und müssen weiterbauen, dürfen mitbauen und sei es auch „nur“ durch Gebet. Wir dürfen und müssen unsere Stimme erheben wo die Menschenwürde mit Füßen getreten wird und Menschen sich einen Namen machen wollen auf Kosten ihrer Mitmenschen. Gott gebraucht uns als Mitarbeiterin und Mitarbeiter und – sendet auch uns seinen Geist, den Geist der stark macht und vertrauen lässt!
Pfingsten ist also ein Fest vollkommenen Verstehens: Jeder versteht jeden, obwohl jeder so redet, wie ihr und ihm der Schnabel gewachsen ist. Viele Außenstehende spotten, diese Leute seien wohl betrunken; sind sie aber nicht.
Da steckt eine wunderbare Kraft in ihnen, die ihnen die Angst vor der Zukunft nimmt, sie verkriechen sich nicht mehr vor ihren Problemen. Sie schauen auf die neuen Möglichkeiten, die sich für sie ergeben durch die Hilfe des Geistes Gottes.
So stellen sie sich auf einmal selbstbewusst hin und erzählen, dass eine neue Zukunft angebrochen sei und trauen sich hinaus in die Welt, durch die Kraft des Heiligen Geistes – das ist Pfingsten.
Was ist Pfingsten für uns?
Liebe Gemeinde, es wundert mich nicht, wenn Menschen bei Pfingsten zuerst an die Ferien denken, waren wir bis daher als Gesellschaft eingespannt in das Gefängnis kapitalistischer Heilsversprechen. Heil liege – so wird einem eingehaucht - in dem, was man sich erarbeitet und damit eben auch verdient hat. Das zielt eher auf Vereinzelung als auf Gemeinschaft. Wenn uns jetzt gesagt wird, wir müssten im Verlauf der „Krise“ so schnell als möglich zurück zum Status vor der Krise, dann sind das Stimmen jener, die zwischenzeitlich nichts begriffen haben. Ein „weiter so“ wäre fatal. Es kann nicht sein, dass es jetzt darum geht, noch schneller im Hamsterrad zu laufen und noch höher hinaus. Dafür sind Roboter geschaffen, aber keine Menschen. Die Fülle aus der wir leben ist im wesentlichen Geschenk. Wir haben uns ja auch nicht selbst geboren.
Vielleicht verhilft uns das diesjährige Pfingstfest das Wesen des Menschen wieder neu zu beleuchten, dass es nicht darum geht sich einen Namen zu machen, sondern mit Gottes Geist rechnen, der darauf aus ist ein gesundes Miteinander unter uns zu fördern. Schenke er genau dazu uns seinen Geist, um dadurch getröstet und mit Zuversicht in die weitere Zukunft gehen zu können! Amen.
Pfarrer Edgar Tuschy