Predigt für den Sonntag Trinitatis, 7.6.2020

von Herrn Heinz Frankenberger

Liebe Leserin, lieber Leser!

Viele von uns kennen die Situation, von der der Theologe Fulbert Steffenski einmal erzählt hat: Meine früheste Segenserfahrung ist eine Erinnerung an meine Mutter. Die zog den kleinen Buben, der ich damals war, auf den Schoß. Vorsichtig strich sie mit der Hand über die Beule oder Schramme, die mir so weh tat, und sagte: heile, heile, Segen. Drei Tage Regen. Drei Tage Schnee. Dann tut’s meinem Buben gar nicht mehr weh. Die Mutter musste dabei ganz andächtig bei der Sache sein und hinterher auf die schmerzende Stelle blasen. Dann aber, da bin ich ganz sicher, ließ der Schmerz spürbar nach. Gott kommt in dieser Segenszeremonie nicht ausdrücklich vor, aber ist dabei, wenn Schmerzen gelindert und Tränen getrocknet werden – und wenn kleine Buben und Mädchen aufatmen und froh werden.

Heile, heile, Segen – ein Trost für Kinder? Aber es gibt so etwas Wohltuendes doch auch für Erwachsene – auch wenn es da etwas ernster klingen mag.

In 4. Mose 6, 22-27, im Predigttext für den heutigen Sonntag Trinitatis, heißt es:

22 Und der Herr redete mit Mose und sprach:
23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
24 Der Herr segne dich und behüte dich;
25 der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
24 Der Herr segne dich und behüte dich;25 der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

Der Text ist ja gewohnt, man wartet auf ihn im Gottesdienst. Aber was ist gemeint? Was bedeutet er? Was heißt überhaupt „segnen/ Segen“?

Die hebräische Wortwurzel bedeutet:
Heilskraft/ heilschaffende Kraft, Leben, Fruchtbarkeit, Lebenskraft, Glück, Gedeihen.

Zum ersten Mal findet man „segnen“ im Schöpfungsbericht 1. Mose 1: Gott segnet die Tiere und die Menschen, die er geschaffen hat. Dann spricht Gott dem Abraham seinen Segen zu: Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein. Jakob kämpft mit dem Gottesboten und fordert: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! Aaron und seine Söhne erhalten den genauen Auftrag, wie der Segensspruch lauten soll, mit dem sie das Volk Israel segnen sollen. Jesus herzt und segnet die Kinder, die sich zu ihm drängen.

Unser Wort „segnen/ Segen“ kommt vom lateinischen „signare“/ signum“; das bedeutet „bezeichnen, siegeln, kenntlich machen durch ein Zeichen“. Es wird meist mit dem Kreuzzeichen in Verbindung gebracht.

Im „Segen“ am Ende unseres Gottesdienstes ist beides enthalten: Der Segen wird zugesprochen mit geöffneten Händen, am Schluss des Segensspruches folgt das Kreuzzeichen, das Sinnbild für Christus, mit dem deutlich wird, dass der alte Segensspruch auch für uns Christen die Gültigkeit behält.

Was geschieht beim Segnen?
Der Segnende spricht nicht seine eigenen Worte, er spricht in dem Moment Worte im Auftrag Gottes. Das, was er da spricht, ist Gottes Wort, durch ihn hindurch gesprochen. Der Segnende ist nur Mittler.

Wenn ein Segenswort zwischen zwei Menschen geschieht, dann geschieht viel mehr, als die beiden „machen“ oder verantworten können.

Der Gesegnete und der Segnende sind beide in etwas, das größer ist als sie selbst.

Der Gesegnete darf sich fallen lassen. „Der HERR behüte dich!“ sagt der eine. Der andere hört und muss nicht einmal zweifeln. Er muss gar nichts tun. Das, wovon Menschen wirklich leben, wird nicht verdient und nicht erkämpft. Es wird geschenkt. Es ist Gnade. Wenn der Gesegnete das Wort gelten lässt: „Gott behüte dich!“, dann darf er es Gott überlassen, dass es geschieht: Dass Gott behütet.

Und der Segnende darf mehr sagen, als wofür er selbst je stehen könnte, als was er selbst je machen könnte.

Er muss nicht dafür garantieren, dass Gott behütet. Er muss nicht dafür einstehen. Wer segnet, spendet etwas, das er selbst nicht hat. Die eigenen leeren Hände halten nicht davon ab, Gott selbst als Versprechen zu geben. Wer segnet, geht sozusagen aufs Ganze. Er gibt nicht, was er kann und was er hat, er verspricht nicht, was er selbst halten kann. Sondern der Segen ist größer als etwas Eigenes.

Der Segen nennt Gott. Wer Gott nennt, braucht nicht selbst Gott sein, wer jemandem Gottes Behüten wünscht, weiß, dass nicht er selbst der Behüter ist. Wer segnet, ist nicht der Macher des Lebens. Solch ein Segenswort und ein Zeichen des Segnens sind viel größer als wir selbst.

Die Episode vom kleinen Jungen und dem Heile-Segen erinnert daran, dass wir Großen so einen Heile-Segen auch oft ganz gut gebrauchen können. Unsere katholischen Schwestern und Brüder haben es da einfacher – sie sind das Kreuzzeichen oder das Bekreuzigen gewohnt. Erinnern wir uns: Zum Segen gehört für uns das Kreuz. Das Kreuz ist ein Segenszeichen und ein Zeichen, das mir zeigt: Ich bin behütet. Ich stelle mich unter das Kreuz, und das ist Zeichen für Christus, und der ist in Gott.

Wir sind da sehr ungeübt. Jemandem das Kreuzzeichen auf die Stirn zu machen oder gar die Hand aufzulegen, ist vielen nicht vertraut. Aber „Gott behüte dich!“ zuzusprechen ist eine Möglichkeit. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Menschen sehr berührt waren, denen ich vor z. B. einem wichtigen Ereignis das Kreuzzeichen mit dem Zuspruch: „Sei in Gottes Hut!“ gemacht habe.

Der Segen Gottes hängt nicht an Pfarrer oder Prädikantin. Er hängt nicht davon ab, ob ihn jemand mag oder ob ihn jemand glaubt.

Er hängt nicht an der Würdigkeit des Segnenden. GOTT gibt dem Segen Kraft! Bei Mose und Aaron galt der Segen dem ganzen Volk.

Aaron durfte den ganzen Haufen von schwachen, zweifelhaften Menschen segnen.

Es wird nicht zuvor sortiert: Wer ist gläubig? – oder würdig? Und wer nicht?

Allen gilt der SEGEN – und ganz sicher besonders denen, die mit Gott ihre liebe Not haben.

Gesegnete Menschen müssen nicht so tun, als sei für sie alles klar.

Sie wissen, dass Gottes Angesicht nicht immer leuchtet.

Er lässt auch so viel Entsetzliches geschehen. Und er verhindert Unrecht und Unheil oft nicht.

Offenbar lässt er auch der menschlichen Dummheit und Bosheit sehr viel Raum.

Aber es ist uns gesagt und zugesprochen – dass Gott sein Angesicht wieder aufleuchten lässt.
ER, den wir oft nicht verstehen können, wird sich uns wieder zuwenden.
Er lässt uns auf dem Weg – als Christen und Juden – nicht allein. Gott geht mit.
Und so ist der SEGEN am Schluss unseres Gottesdienstes nicht das Ende, sondern ein Anfang: Gott will mit uns gehen. Gott will heilen und verändern! Und wir dürfen mitgehen.

»Und gebe dir Frieden«,

heißt es am Ende.
Frieden – das heißt in der Sprache Aarons: SCHALOM.

Auf Deutsch: Du, es wird alles heil werden;

Gott will alles in Ordnung kommen lassen.

Ganz gewiss!!!

Amen

Prädikant Heinz Frankenberger
Prädikant im Ev. Kirchenbezirk Mühlacker