Predigt für den 19.4.2020 von Pfr. Tuschy
Predigt für den 19.4.2020
Jesaja 40 26 - 31
26 Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. 27 Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«? 28 Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. 29 Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. 30 Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; 31 aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.
Liebe Gemeinde,
„Interessiert sich Gott in seiner Größe denn noch, wie es uns Kleinen geht, was wir fühlen und wo wir Kraft her bekommen?“ So oder ähnlich kann man fragen, wenn man Zeit hat um nachzudenken, wenn man in eine missliche Lage gerät.
Es gibt Zeiten, da interessiert es einen nicht, ob es Gott gibt oder nicht. Da interessiert es nicht, ob er nah ist oder fern. Das sind dann solche Momente, in denen man im Getriebe der Zeit einfach dahinlebt oder gelebt wird.
Wenn aber das Getriebe dann plötzlich stockt und ein Unheil wie damals beim Volk Gottes über ihnen hereinbricht – sie aus ihrer Heimat verschleppt werden - da erinnert man sich und denkt an jene Augenblicke, als Gott einem wie eine zweite Haut war.
Dann mag es sein, man macht sich wieder auf die Suche nach Gott. Es entsteht ein Hunger nach Gott. Und dieser Hunger war es damals, der sie getrieben hat. Es entstand die Sehnsucht nach Gott. Und der Prophet Jesaja, von dem diese Verse stammen, der hat ihnen Mut gemacht, z.B. mit diesem eindrücklichen Bild vom König der Lüfte, dem Adler, der seine Jungen im Nest zu einer bestimmten Zeit bewusst hungern lässt, damit sie fliegen lernen können. Die Alten lassen ihre Jungen hungern, solange bis die Jungen bereit sind sich hinaus zu wagen. Der Hunger soll sie hinaustreiben. Die wohlige Wärme im Nest sollen sie verlassen und selbständig werden. Das kostet Überwindung. Flügel schlagend stehen die Jungen im Nest bis sie den Sprung hinaus über den Abgrund riskieren und den ersten Flugversuch starten.
Sich seinem Gott (wieder) zuzuwenden ist ein ziemliches Wagnis, ist wirklich ein Abendteuer, das manche nicht eingehen wollen. Manchmal sind wir wie die jungen Adler gezwungen, all unsere Sicherheiten aufzugeben. Die Corona-Krise lehrt uns gegenwärtig, was unsere vermeintlichen Sicherheiten wert sind.
In einer bestimmten Hinsicht sind wir Menschen genauso ängstlich wie ein Adlerjunges. Nämlich dann wenn es um das Wagnis des Glaubens geht. Wenn man alle Sicherheiten aufgeben soll und den Sprung über den Tellerrand der eigenen Vorstellungen wagen soll.
Wie wird so einem Adlerjungen wohl das Herz klopfen, wenn es das elterliche Nest, den festen Boden unter den Füßen verlassen muss? Wenn der Hunger dann so groß ist, dass sie eigentlich schon gar nicht mehr anders können, dann überwinden sie ihre Angst und stürzen in die Tiefe oder netter gesagt, sie lassen sich fallen und spüren dann sehr schnell den Aufwind. Sie werden überrascht sein, wie der Wind sie trägt, wie ihre Schwingen gehoben werden und sie immer höher getragen werden.
Wir kommen nun von Ostern her und leben in der Spannung: Da ist ein Mensch gestorben und unsere Erfahrung sagt: tot ist tot! Und nun behauptet da einer, dass es etwas gibt, das man so nicht kennen kann, weil man es noch nicht gesehen hat. Da wird ein Toter wieder lebendig, weil Gott ihn lebendig macht. Nun kann man auf dem Standpunkt stehen:
Ich glaube nur, was ich sehe. Den Abgrund vor sich, den sieht man, die Felskante ebenfalls. Aber man sieht nicht den Aufwind, der einen emporträgt. Beim Glauben an Gott ist es ähnlich. Man fragt sich: Ob der Glaube trägt? Ob der Glaube unserer Seele Flügel verleiht, die sie aufheben und emportragen?
Es ist ein Wagnis, sich Gott anzuvertrauen, wenn sich unsere Sicherheiten verabschieden. Jeder von uns muss alleine springen. Keiner kann das für den anderen. Alle gewohnten Sicherheiten muss man verlassen, loslassen, woran man sich gerne klammert. Genau von diesem Wagnis des Glaubens spricht die Bibel: "Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden."
Flugzeuge sieht man heute fast keine mehr. Kleine Kinder, die jetzt heranwachsen, die sehen beim Blick an den Himmel keine Flugzeuge mehr. Die Situation wird sich höchstwahrscheinlich irgendwann einmal wieder ändern. Damals als es mit der Fliegerei losging, da konnte sich wohl kaum einer vorstellen, dass tonnenschwere Stahlvögel von der Luft getragen würden.
Aber auch hier ist es das selbe Phänomen, dass die Luft trägt. Eine unsichtbare Kraft ist es, die das Flugzeug in der Luft hält. Auf dieses Vertrauen kommt es auch beim Glauben an: Dass da eine unsichtbare Kraft ist, die uns trägt. Selbst wenn eine tonnenschwere Last die Schultern niederdrückt: Im Glauben wird uns eine Kraft geschenkt, die einen unterstützt, die hilft. Es ist eine Kraft, die uns trotz aller Müdigkeit beflügelt, die uns unter die Arme greift und aus der Not herauszieht: "Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden."
Ich wünsche ihnen von Herzen dieses Vertrauen darauf, dass Sie getragen werden. Und dann kann man es erleben, dass das Gebet einen gleichsam emporzieht. So wie der Adler es auch spürt: Es wird wider Erwarten leicht unter den Füßen. Man fühlt sich nicht mehr, als habe man einen Rucksack voller Steine und so ist uns auch geraten: Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch. So kann es auch uns im Gebet plötzlich leicht werden ums Herz, zuvor noch so tief von der Last gedrückt war. Das Gebet zieht nach oben. Man spürt die Aufwinde, die einen nach oben tragen. Das Lied aus unserem Gesangbuch (EG 165,7) bringt es so zum Ausdruck.: "Lass mein Herz / überwärts / wie ein Adler schweben / und in dir nur leben"
Wenn der junge Adler seinen ersten Flug unternimmt, wird er zum einen begeistert sein, wie es nach oben gehen kann. Aber er braucht Übung. Es gibt auch sogenannte Luftlöcher, die einen tief absacken lassen. Oder eine Windböe reißt einen mit. Oder eine aufkommende Wolkendecke kann einem die Orientierung nehmen. Da ist es wichtig, dass man sozusagen ein Navigationsinstrument dabei hat, durch das man wieder klare Orientierung bekommt. Für uns Christen ist die Bibel etwas, das uns Orientierung gibt. So mancher Vers kann in Notlagen weiterhelfen, dann wenn der Glaube abzustürzen droht. Paul Gerhardt sagt es im Lied (EG 361,1) so: „Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann."
Von Adlern weiß man, dass sie ihre Jungen nicht nur in aus dem Nest werfen, damit sie fliegen lernen. Sie fangen auch ihre Jungen auf, wenn diese bei den ersten Flugversuchen ins Taumeln geraten. Auf den Flügeln der Alten werden die Jungen getragen. So handelt Gott auch mit uns. Er fängt uns auf, wo wir auf dem Flug des Glaubens ins Straucheln geraten. Diese Verheißung gilt uns allen, wenn wir den Flug des Glaubens wagen: "Die auf den Herrn harren kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden." Amen
Pfarrer Edgar Tuschy